Hamburg. Mehr-als-Herzschmerz-Romane: „Ha Ha Heartbreak“ und „Liebewesen“ geben bei der Literatur Altonale ein gutes Paar ab.

Lohnt sich nicht, my darling? Nun ja, zumindest zwischen zwei Buchdeckeln kann Liebeskummer richtig Spaß machen. Da kann peinliches Tinder-Daten erheitern und verliebtes Verklären entzücken, wie Olivia Kuderewski und Caroline Schmitt mit ihren Mehr-als-Herzschmerz-Romanen „Ha Ha Heartbreak“ und „Liebewesen“ am Mittwochabend auf einer gemeinsamen Altonale-Lesung bewiesen.

Ottensen: Herzschmerz-Lesung auf der Christianswiese

So weit, so stereotypisch: Auf der Altonaer Christianswiese haben sich zum literarischen Herzschmerzabend beinahe ausschließlich Frauen eingefunden, die eine oder andere bewaffnet mit einem Glas Rosé. Schade eigentlich, denn die gleichermaßen einfühlsamen wie reflektiert-witzigen Romane, die auf der Altonale vorgestellt wurden, haben einen auch für Männer lesenswerten feministischen Kern. Und zum schlosshundartigen Heulen regen sie in keinem Fall an – Kuderewskis „Ha Ha Heartbreak“ trägt die ironische Distanz konsequenterweise schon im Titel.

Olivia Kuderewski gewann 2021 den Debütpreis des Harbourfront Festivals für ihren Roman „Lux“. Jetzt hat sie mit „Ha Ha Heartbreak“ nachgelegt.
Olivia Kuderewski gewann 2021 den Debütpreis des Harbourfront Festivals für ihren Roman „Lux“. Jetzt hat sie mit „Ha Ha Heartbreak“ nachgelegt. © Lisa-Marie Keck

Nach ihrem Erstlingswerk „Lux“, 2021 mit dem Debütpreis des Harbourfront Festivals ausgezeichnet, legt Kuderewski nun einen schonungslos weiblichen und höchst gegenwärtigen Roman vor. Darin folgt der Leser einer namenlosen Protagonistin durch unterschiedlichste Phasen der Trennung. Als frischer Single noch im gefährlichen Wechselbad aus Nostalgie und Hass auf den Ex gefangen, will sie natürlich alles andere als solo bleiben. Also datet sie. Per Tinder und möglichst viele Männer auf denkbar unbefriedigende Weise.

Auch Frauen stammen vom Affen ab, meint die Autorin

Kuderewski beschreibt, wie der moderne Wunsch nach sexueller Selbstbestimmung manchmal auch nicht mehr ist als das unbändige Verlangen, jetzt und hier flachgelegt zu werden. Verwerflich ist das mitnichten – auch Frauen stammen vom Affen ab, meint sie. Sie haben nur schneller ein schlechtes Gewissen, heißt es wiederum an einer Stelle in Caroline Schmitts „Liebewesen“.

„Liebewesen“ von Caroline Schmitt erscheint im Eichborn-Verlag. Der Roman ist scharfsinnig und humorvoll, ohne die großen feministischen Fragen aus dem Blick zu verlieren.
„Liebewesen“ von Caroline Schmitt erscheint im Eichborn-Verlag. Der Roman ist scharfsinnig und humorvoll, ohne die großen feministischen Fragen aus dem Blick zu verlieren. © Eichborn-Verlag

Im Debütroman der freien Journalistin lässt sich die beziehungsunerfahrene Endzwanzigerin Lio dank ihrer besten Freundin – und ebenfalls auf der Dating-App Tinder – mit Max verkuppeln. Eine romantische, zarte Liebe entsteht trotz und dank und bei einem heillos überstürzten gemeinsamen Ausflug in die Badewanne.

Der vormals duftende, zu Bergen aufgetürmte Schaum treibt wenige Jahre später nur noch in wenigen platten Fetzen umher, irgendjemand sollte vielleicht mal wieder heißes Wasser zulassen. Stattdessen wird Lio schwanger – und erzählt Max erst einmal nichts davon.

Die Suche nach einem Ausweg aus der vertrackten Lebenslage führt Lio in eine schmerzhafte Vergangenheit. Um sie zu verwinden, legt sich die Protagonistin vor sich selbst auf die Couch: Welche Beziehung habe ich eigentlich zu meiner Mutter? Und zu meinem Vater?

Ottensen: Lesung stellt die großen feministischen Fragen

„Ha Ha Heartbreak“ und „Liebewesen“ geben ein hervorragendes Paar ab auf einer Lesung, sind sie sich doch unter vielen Gesichtspunkten sehr ähnlich. Sowohl Kuderewski als auch Schmitt verstehen es, unverhohlen zu formulieren. Sie wissen genau, wann es angebracht ist, sich für das Wort kopulieren zu entscheiden – und wann tatsächlich ein wohldosiertes „ficken“ nötig wird. Die Dinge müssen benannt werden, auch auf einer Lesung neben der Kirche.

Eine Ebene unter den Witzeleien, irgendwo in dem Raum, den die ironische Distanz zwischen das geschriebene und das gelesene Wort zwängt, da schwingt sowohl bei Kuderewski als auch bei Schmitt stets etwas Urfeministisches mit. Es geht um die ganz großen Fragen: jene nach der Vereinbarkeit zwischen Emanzipation und Liebe zum Beispiel. Oder ob ein positives eigenes Körperbild nicht Grundvoraussetzung für ein gelungenes Sexleben ist. Nach Erscheinen des Romans, so erzählte es Autorin Olivia Kuderewski, auf der Christianswiese habe sie ihrem Vater erklären müssen, „dass man so was heute machen kann“. Gut so.