Hamburg. Die Inszenierung an der Hochschule für Musik und Theater ist ein Fest. Was besonders für Begeisterung sorgt.

Eigentlich gilt Johann Strauss‘ Operette „Die Fledermaus“ mit ihrer champagnergetränkten Feierlaunigkeit als klassische Jahresendnummer. Stößchen zu Silvester, Zwinkersmiley. Doch die Hochschule für Musik und Theater präsentiert das Stück im Rahmen ihrer Sommeroper – und setzt damit den ersten einer Reihe von Twists, mit denen die Produktion gängige Erwartungen unterläuft und Klischeefallen meidet.

Operette: Starke Premiere an der Musikhochschule für „Die Fledermaus“

Die größte Überraschung lauert zu Beginn des dritten Akts. Dort ist die Sprechrolle des Gefängniswärters Frosch auf eine vielgliedrige Krötengruppe verteilt. Acht amphibienbiegsame Wesen – ganz in Weiß, mit Badekappe und Taucherbrille – quaken da buchstäblich im Chor, sondern Glibschgeräusche ab und kriechen klebrig umeinander.

Eine brillante Idee, umgesetzt in Kooperation mit dem Studiengang Schauspiel. Wie fantasievoll und präzise der Auftritt der Froschformation choreografiert ist (Catharina Lühr), offenbart den Witz und die Stärke des ganzen Abends.

Das Ensemble platzt beinahe vor Spielfreude

Regisseur Christian Poewe führt die Figuren mit großer Sorgfalt und Lust am Detail – und gibt seinem Ensemble damit den Rahmen, um eine vor Spielfreude fast platzende Energie auszuleben. Quecksilbrig und herrlich überdreht singt und agiert etwa die koloraturensichere Sopranistin Mina Yu als Zofe Adele. Wenn sie von ihrer vermeintlich „kraaaanken Tante“ jammert, um Urlaub zu bekommen, ist das sofort als dreiste Lüge zu erkennen.

Nicht nur von ihrer Chefin Rosalinde, die Susanna Edelmann mit einem Mix aus klarer Kante und mondäner Sinnlichkeit verkörpert. Im Grunde durchschauen die Figuren ja viele der Flunkereien und Maskeraden – aber sie wollen sich eben auch gern mal täuschen lassen, um den Regeln des Alltags zu entkommen.

Szene aus der „Fledermaus“.
Szene aus der „Fledermaus“. © Jörg Modrow/laif | Joerg ModrowJOERG MODROW LAIF

Als die große Party bei Prinz Orlofsky ansteht, löst sich der klaustrophobische Raum links auf der Bühne (Malina Raßfeld) in seine Einzelteile auf. Ein suggestives Bild für den Wunsch, die gesellschaftliche Enge und ihre Grenzen von Moral, von Rang und traditionellen Geschlechterrollen zu vergessen.

Dass dafür in der Fledermaus reichlich Alkohol fließen muss, zeigt Poewe mit einer Zwangsdruckbetankung. Gabriel von Eisenstein (Seungwoo Sun mit superkernigem Bariton) kippt einen Kurzen nach dem anderen. Genötigt von Orlofsky, den die phänomenale Mengying Jia als lackjackentragende Domina gibt. (Kostüm: Robin Basman, Isabel Sandtmann von der HAW).

„Die Fledermaus“: Bass Oscar Marin-Reyes singt toll – und schnarcht auf der Tuba

Der internationale Charakter des Ensembles prägt den ganz eigenen Ton der Inszenierung, in der die jungen Sängerinnen und Sänger ihre Rollen mit muttersprachlichen Kommentaren anreichern. Herrlich etwa, wie der guatemalische Bass Oscar Marin-Reyes als verkaterter Gefängnisdirektor Frank spanische Flüche ausstößt. Außerdem kann er auf der Tuba schnarchen, hihi. Und dann singt er auch noch toll. Ebenso wie der hell timbrierte Tenor Changwook Jang als clowniger Liebhaber Alfred und Vicente Sampaio als Strippenzieher Dr. Falke, mit warmem Bariton.

Sängerisch und szenisch ist die Premiere ein Fest, kurzweilig, geistreich und bunt. An dieses Espritlevel und das spritzige Timing oben auf der Bühne reicht das, was die Symphoniker Hamburg unter Leitung von Willem Wentzel aus dem Orchestergraben liefern, nicht heran. Und trotzdem: ein mitreißender Abend, der das hohe Niveau der Theaterakademie an der Hochschule demonstriert.

„Die Fledermaus“ B-Premiere: Di 13.6. 19.00 Uhr. Weitere Vorstellungen: 21.6., 24.6., 26.6., 28.6., 30.6., 2.7.; Infos und Karten unter hfmt-hamburg.de