Hamburg. Im Jungen Schauspielhaus knüpft die Neu-Inszenierung von „Onkel Wanja“ überaus klug an die Motive von Anton Tschechows Klassiker an.

Der Baumstamm ist schwer, zu schwer für den Hund und das Huhn. Da müssen die jungen Besucherinnen und Besucher auch mal mit anpacken und das tun sie auch beherzt. Noch vor Stückbeginn vor der Saaltür bezieht Lorenz Noltings Inszenierung „Onkel Wanja. Denn sie verdienen nicht, was sie tun“ nach Motiven von Anton Tschechow das Publikum im Jungen Schauspielhaus mit ein. Und so interaktiv geht es munter weiter.

Eingehüllt in fantasievolle Tierkostüme von Ida Bekic und Kora Hamm stellt sich das Personal vor, das dann doch etwas anders aussieht als die von Melancholie geplagten, Tee schlürfenden Tschechow-Figuren. Wanja ist bei Severin Mauchle ein von Verdauungsattacken geplagter, liebenswürdiger Hund. Sonja bei Jara Bihler ein herzerwärmendes Huhn. Dann ist da noch ein für Social Media zuständiger Drache mit dem Namen Jelena, den Elsa Stallard mit schöner Ironie gibt („Kennt Ihr YouTube?“). Und der bei Tschechow idealistische, begehrte, aber in der Liebe total desillusionierte Arzt Astrow tritt bei Alicja Rosinski als kluge Borkenkäferin mit wippenden Fühlern und vier synchron bewegten Armen auf.

Junges Schauspielhaus: Inszenierung knüpft mit fantasievollen Tierkostümen an Tschechow-Klassiker an

Inhaltlich wiederum knüpft die Inszenierung klug an Motive des Klassikers an. Auch hier steht ein Birkenhain auf der von Nadin Schumacher gestalteten Bühne. Serebrjakow ist hier ein Sägewerksbetreiber. Die Tiere schleppen Holz für ihn und verarbeiten es zu Sägespänen für Hamster. Als Lohn winkt eine begehrte Orangenlimonade. Was nun aber das vierköpfige Ensemble auf der Bühne aus diesen Zutaten zaubert – Hermann Book wird als Firmenchef im Video eingeblendet – ist so fantasievoll, herrlich verrückt und doch auf wundersame Weise dicht an dem Ursprungsstoff, dass es einfach nur begeistert.

Da werden tierische Vorfahren der Protagonisten auf einen Vorhang projiziert – vom Schoßhund bis zum schottischen Drachen. Immer wieder wird das junge Publikum einbezogen. Und ganz nebenbei wird kollektiv darüber nachgedacht, wie sich das denn eigentlich so verhält mit der Arbeit. Warum die Eltern oft so müde und überarbeitet sind, etwa wie der Hund Wanja, der einfach zu viel Kaffee trinkt.

Schauspielhaus: Jana Bihler offenbart als Huhn ihre Liebe zum Borkenkäfer Astrow

Arbeitet Ihr? Und wenn ja, wie lange?“ fragen die Tiere ihr junges Publikum „Habt Ihr Träume?“ Es offenbart sich, dass Arbeit sogar gut tun kann. Aber man erfährt auch, wie das so ist, wenn einer, der sich zu seiner Gier nach Geld bekennt, oben das Sagen hat - während die da unten schuften bis zum Umfallen für kargen Lohn.

Die moderne Arbeitswelt in Zeiten des Kapitalismus ist ein ernstes Thema - erst recht, wenn die Umwandlung des Sägewerks in ein Schlachthaus nach einer Revolution verlangt – doch der Aufführung gelingt es, einen gleichermaßen durchdachten wie humorvollen Ton beizubehalten. Auch dann, wenn die wie immer verzaubernde Jara Bihler als Huhn ihre geheime Liebe zum Borkenkäfer Astrow offenbart. Oder die Arbeitenden dem Tag mithilfe eines Zauberbaums etwas Freizeit abringen.

Lorenz Nolting, der diese Regiearbeit als Teil des Postgraduierten-Projekts des Jungen Schauspielhauses mit der Theaterakademie der Hochschule für Musik und Theater realisierte, und seinem Team ist mit dieser Aufführung ein kleines Wunderwerk gelungen.

„Onkel Wanja – Denn sie verdienen nicht, was sie tun“ nach Motiven von Anton Tschechow, ab 8 Jahre, wieder Di 13.-Do 15.6., jew. 11.45, Junges Schauspielhaus/Studio Wiesendamm, Wiesendamm 28, Karten unter T. 24 87 13; www.schauspielhaus.de