Hamburg. DJ BoBo begeistert in der ausverkauften Barclays Arena mit einer ausgefeilten Show, aber auch mit wenig originellen Songs.
René Baumann ist gelernter Konditor. Das ist bezeichnend: Konditor, das ist ein ordentliches Handwerk, aber gleichzeitig hat es einen reizvollen Zug ins Halbseidene. Das ehrliche Gewerbe betreibt ein Bäcker, indem er Brot macht. Ein Konditor macht etwas ganz Ähnliches: Süßkram, lecker, aber nicht wirklich lebensnotwendig.
Und Baumann, geboren 1968 in Kölliken im Norden der Schweiz, ist unter seinem Künstlernamen DJ BoBo so eine Art Konditor der Popmusik: Jemand, der ein Produkt auf den Markt bringt, das im Grunde niemand braucht. Aber die Welt wäre weniger schön, gäbe es dieses Produkt nicht.
DJ BoBo in der Barclays Arena: Zuckerlastiger Eurodance mit Schnapskirschen
Am Sonnabend in der ausverkauften Barclays Arena: DJ BoBo serviert zuckerlastigen Eurodance. Die Tour heißt „Evolu30n“, nach der aktuellen CD, die mehr als 30 Jahre Pop-Konditortum feiert, eine Entwicklung, die kaum spürbar ist: Ob nun die vergangenen Herbst erschienene Single „Together We Fly“ erklingt oder das tatsächlich vor 30 Jahren zum Hit avancierte „Somebody Dance With Me“ – das Grundkonzept hinter den Songs bleibt dasselbe.
Pumpender Beat, perlendes Synthie-Piano, hymnischer Refrain mit Frauenstimme, zwischendurch ein brachialer Rap, Rückung, wieder von vorn. Und ein etwas laxer Umgang mit Autorschaft – die Melodieführung von „Somebody Dance With Me“ etwa ist schamlos von Rockwells „Somebody’s Watching Me“ abgekupfert, bei „Respect Yourself“ denkt man an Alphaville. Aber wegen der raffinierten Songs kommt hier niemand zum Konzert.
DJ BoBo konzentriert sich seit Jahren auf aufwendige Shows mit unzähligen Tänzern
Die Menschen (und, immerhin, 12.000 sind schon eine Hausnummer!) kommen wegen der Show. Von den Eurodance-Stars der Neunziger existiert heute kaum noch jemand, Snap, Captain Hollywood, Dr. Alban sind in der Versenkung verschwunden. DJ BoBo ist immer noch da. Als um die Jahrtausendwende Eurodance nicht mehr in die höheren Chartsregionen kam, hatte Baumann begonnen, sein Erfolgsrezept zu modifizieren: raus aus den Diskotheken, in denen seine Musik mittlerweile als uncool galt, rein in die Konzerthallen. Und weil Konzerte mit elektronischer Musik optisch wenig hergeben, konzentrierte er sich auf aufwendige Shows.
Richtig aufwendige Shows: In der Barclays Arena bevölkern zehn Profitänzer, unzählige Nachwuchstänzer, mehrere Sängerinnen und Sänger und eine fünfköpfige Band drei Bühnen. Es gibt Pyrotechnik, Visuals, aufwendige Lichteffekte, eine Bühnenarchitektur um einen riesigen, multifunktionalen Löwenkopf, es gibt Spiel, Spaß, na ja, Spannung gibt es weniger.
DJ BoBo: Seine Frau Nancy steht als Sängerin im Mittelpunkt der Show
Da fällt auch nicht besonders ins Gewicht, dass Baumann selbst nicht wirklich ein geborener Showman ist. Ein schmaler Typ mit schütterem Haar, der nicht besonders singen kann, nicht besonders rappen, nicht besonders tanzen. Und der entsprechend im Hintergrund agiert – der weiß, dass sich seine Frau Nancy als Sängerin im Mittelpunkt der Show besser macht. Und der sich auch nicht zu schade ist, bei der Vorstellung der Mitmusiker Jesse Ritch als „beste männliche Stimme heute Abend auf dieser Bühne“ vorzustellen. Was Baumann an Bühnenpräsenz fehlt, macht er mit Charme und Selbstironie wieder wett.
Dazu kommt: Zwar arbeitet Baumann schon seit Anfang der 90er nicht mehr als DJ, sein Künstlername DJ BoBo ist ein bisschen eine Mogelpackung. Doch davon abgesehen ist er ein echter Musiker, kein Kunstprodukt wie der Tiroler Schlagersänger DJ Ötzi. Songwriting, Produzieren, Konzepte entwerfen – der kann schon was. Nur macht er verhältnismäßig wenig daraus.
DJ BoBo: Als Höhepunkt legt er eine zusätzliche Schnapskirsche auf den Kuchen
Vieles an diesem Abend ist auch verschenktes Talent, das am Ende doch immer in der „Keep On Dancing“-Konvention landet. Selbst höheren Blödsinn, Trash, echte Geschmacklosigkeit traut sich Baumann nur selten, in Andeutungen wie „Chihuahua“ etwa. Tja.
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Und doch macht diese Show Spaß. Die ständigen Kostümwechsel, die Marionetten-Gespenster, die bei „Shadows Of The Night“ durch die Halle schweben, die Hit-Dichte, die La Olas, die Baumann in einer aufwendigen Choreografie durchs Publikum schwappen lässt. „Jetzt drehen wir richtig ab!“ freut er sich, aber er sagt das mit seinem kehligen Schweizer Slang, der weniger an Exzess denken lässt, sondern an den Zuckerbäcker, der als Höhepunkt des Ausgelassenen eine zusätzliche Schnapskirsche auf den Kuchen legt. Ein Zuckerbäcker, der sich ehrlich über diese Schnapskirsche freut.
Gut zwei Stunden dauert das Konzert, 28 Songs, ein dichtes, ein befriedigendes, auf Dauer ein arg gleichförmiges Programm. Zum Abschluss dann „Freedom“: Konfettikanonen, Abgang über das geöffnete Maul des Löwenkopfes, keine Zugabe. In drei Jahren kämen sie wieder, verspricht Baumann; anscheinend sind seine Tourpläne auf lange Sicht durchorganisiert, ein Schweizer Uhrwerk. Oder ein ehrlicher Handwerker, der viel Wert auf Planbarkeit legt, auf Sicherheit und auf Vorhersehbarkeit. Muss man nicht glamourös finden. Aber anerkennen, dass dieser Handwerker einen ordentlichen Job macht, das sollte man schon.