Hamburg. Hamburger Schauspieler plaudert in der Reihe „Zündstoffe“ aus dem Nähkästchen. Ein Smalltalk, in dem aber auch Brüchiges steckte.
Wenn man einen Schauspieler als „Publikumsliebling“ bezeichnen kann, dann ist das Charly Hübner. Unangefochtener Star im an Stars reichen Ensemble des Deutschen Schauspielhauses, im Kino omnipräsent mit Filmen wie „3 Tage in Quiberon“, „Mittagsstunde“ und in der „Bibi und Tina“-Kinderfilmreihe, im Fernsehen bis 2021 Verkörperung des interessantesten Kommissars der ARD-Sonntagabendkrimis. Hübner ist immer da. Und immer mag man ihn.
„Charly Hübner spielt so, dass man das Gefühl hat: Der ist die Person, die er spielt!“, stellt Nikolaus Besch, Intendant des Hamburger Theaterfestivals, den 1972 in Neustrelitz geborenen Hübner als Gast bei der festivalinternen „Zündstoffe“-Gesprächsreihe vor. Ob Besch da richtig liegt?
Im Grunde ist Hübner eher eine leere Hülle, die norddeutsch minimalistisch spielt und so der Figur Gelegenheit gibt, sich in seinem Körper breit zu machen. Hübner verwandelt sich nicht in seine Figuren, er ist eine Interpretationsfläche, die das Publikum dann mit einer Figur füllt. Aber egal – um Hübners Schauspielästhetik geht es an diesem Abend im St. Pauli Theater ohnehin nicht.
Charly Hübner beim Theaterfestival: Anekdote folgt auf Anekdote
„Zündstoffe“, das sind lange Gespräche, die der Journalist Kester Schlenz vor Publikum mit einem ausgewählten Gast führt. Hübner und Schlenz kennen sich schon lange, sind wohl so etwas wie befreundet. Da ist kein tiefschürfendes Bohren in ästhetischen Schichten zu erwarten, sondern eine freundliche, intime Plauderei, bei der man als Zuschauer dem Gast überraschend nahekommt, aber gleichzeitig wenig erfährt.
Also: Hübner war ein unruhiges Kind, wollte als Jugendlicher Profisportler werden, was durch einen Herzfehler vereitelt wurde, verpasste die Wende im Alkoholrausch. Anekdote folgt auf Anekdote, und es ist das reine Vergnügen, weil dieser Schauspieler jede dieser Anekdoten mit den Details ausstattet, die wichtig sind für gelungenen Smalltalk.
Hübner ist zudem ein Dialektgenie, er imitiert den Erzgebirgsslang seines Vaters so echt wie das Brandenburgische, das ihm beim Studium an der Berliner Ernst-Busch-Schule unterkam, und zwischendurch erzählt der lange schon in Hamburg wohnende Schauspieler von seiner „Mudda“. Toll.
Charly Hübners Vater entpuppte sich überraschend als Stasi-Mitarbeiter
Was dabei beinahe untergeht: das Brüchige, das in dieser Biografie ebenfalls versteckt ist. Dass der Vater sich überraschend als Stasi-Mitarbeiter entpuppte.
Oder, dass Hübner bei der Frage nach Vorbildern erst zögert und dann erwartungsgemäß die Theaterlegende Jürgen Gosch nennt, sowie weniger erwartungsgemäß den russischen Regisseur Nikita Michalkow, ein Filmgenie, aber auch ein Parteigänger Putins. Hübner ist ein Plauderer, aber er macht es einem nicht nur leicht, mit der Plauderei.
- Hamburger Theaterfestival: Gewaltige Suada von Jelineks Doppelgängerinnen
- Schauspielhaus Hamburg: Böseste Wahrheiten stecken in der Pointe
- Theaterkritik: Bitte kein Sex, neue Brüste und ein „Spermakönig“
Aber weil Schlenz nicht in Wunden bohrt, geht es im Anschluss locker weiter. Mit Hübners Faible für Heavy Metal, es geht nach Wacken, das der DDR-Jugendliche als prototypisch für eine „BRD-Jugend“ interpretiert, es gibt einen lustigen, von Heinz Strunk beigesteuerten Fragebogen zu Hübners Alkoholverbrauch. Und dann sind die 90 Minuten Plauderei auch schon vorbei.
Das Hamburger Theaterfestival läuft noch bis zum 15. Juni, www.hamburgertheaterfestival.de