Hamburg. Gleich mit drei Filmen ist der Schauspieler und Regisseur derzeit im Kino. Ein Gespräch über Nomadentum und rechtsradikale Umtriebe.

Es sind die Wochen von Charly Hübner. Denn nun läuft neben der Beziehungskomödie „Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?“ nicht nur der Romy-Schneider-Film „3 Tage in Quiberon“ in den Kinos, in dem Hübner den Fotografen Robert Lebeck spielt und für den er eine Nominierung beim Deutschen Filmpreis erhielt. Noch wichtiger für das Ensemblemitglied des Deutschen Schauspielhauses dürfte sein, dass jetzt ebenfalls sein Regie­debüt „Wildes Herz“ zu sehen ist. Ein Dokumentarfilm, in dem er sich seiner Heimat Mecklenburg-Vorpommern widmet, aber auch dem Problem dieses Landes mit Rechtsradikalen.

Der Lubitsch-Preis im Januar, mit „3 Tage in Quiberon“ im Februar auf der Berlinale, im März „Fühlen Sie sich manchmal ausgebrannt und leer?“ und jetzt laufen auch noch „Quiberon“ und Ihr Regiedebüt parallel in den Kinos. Sind Charly-Hübner-Festtage?

Charly Hübner: Das mag so scheinen. Man selber hat das ja nicht so im Griff, wann welcher Film startet. „Ausgebrannt“ zum Beispiel war ja schon fast zwei Jahre fertig. Dass man „Quiberon“ und „Wildes Herz“ am selben Tag gestartet hat, darüber war ich gar nicht so glücklich. Aber sagen wir so: Es ist gerade viel los. Theater kommt ja auch noch dazu. Mein Großvater hat immer gesagt: Wenn man viel sät, gibt’s auch ein bisschen Ernte.

Viele Schauspieler übernehmen irgendwann Regie, weil ihnen zu wenig Rollen angeboten wurden. Sie haben keinen Spielfilm gedreht, sondern einen Dokumentarfilm. Da müssen die Gründe andere sein?

Sich selbst inszenieren: Ich glaube, das ist nicht gut. Weil man, wie bei Fotos, immer nur das aussucht, was einem am besten gefällt. Das war ein Grund für meine Entscheidung. Für den anderen müsste ich etwas länger ausholen.

Bitte sehr.

Ich hab ja schon mal einen Dokumentarfilm gemacht, einen kurzen zumindest. Als die ARD die Reihe „16 x Deutschland“ produziert hat, schlug mich der Produzent Lars Jessen für den Film über Mecklenburg-Vorpommern vor. Ich wollte das eigentlich nicht machen, weil ich dafür erst mal keine Idee hatte. Dann habe ich aber im „Musik­express“ einen Artikel gelesen über eine Band namens Feine Sahne Fischfilet, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, weil sie gegen rechts ist. Da war ich irritiert: Warum ist eine Behörde, die die Verfassung zu schützen hat, gegen die, die sich gegen rechts engagieren? Ich habe das dann meiner Familie, der angeheirateten in Bochum, erzählt, und die sagten alle, nach Mecklenburg würden wir nie fahren, wegen der Nazis. Das hat mich total getroffen. Genau diese Zerrissenheit, diese paradiesische Landschaft, aber gleichzeitig dieses Rechts-Pro­blem, wollte ich aufzeigen.

Und wann war klar, daraus wird auch mal ein Langfilm?

Ich hatte durch die Dreharbeiten Jan Monchi Gorkow kennengelernt, den Sänger von Feine Sahne Fischfilet. Eine solche Figur fehlt mir bei uns im Kino, sowohl im fiktiven als auch im dokumentarischen Bereich. Jemand, dessen Ambivalenz so sichtbar ist.

Man muss die Musik von Feine Sahne Fischfilet nicht mögen. Monchi wird einem im Lauf Ihres Films trotzdem immer sympathischer.

Er hat zum letzten Wahlkampf eine regelrechte Wahlkampftour bestritten und die „Noch nicht komplett im Arsch“ genannt. Das war schon ein Statement. Auf dieser Tour haben wir ihn begleitet. Wir haben nicht nur Monchi und die Band interviewt, sondern auch Monchis Eltern und den Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern. Es gab auch ein sehr aufschlussreiches Interview mit dem Leiter des Verfassungsschutzes. Da kam viel zusammen. Manches hat es nicht in den fertigen Film geschafft, weil der ja nur 90 Minuten lang sein sollte. Aber Monchi gibt so viel mit als Persönlichkeit. Und er steht dazu. Deshalb haben wir vor allem seine Spur verfolgt.

Der Film zeigt auch, dass dieser Einsatz nicht ungefährlich ist. Für Monchi, bei dem plötzlich eine Axt in seinem Wagen steckt, aber auch Ihr Kameramann wurde bei einer Rechts-Demo abgedrängt. Wie gefährlich war der Dreh für die Crew? Wie gefährlich ist das womöglich noch im Nachhinein, einen Film gegen rechts gedreht zu haben?

Letzten Sommer hat die AfD von Mecklenburg-Vorpommern versucht, die Fördergelder zurückzufordern, die wir von der dortigen Filmkommission bekommen haben. Für die war das tendenziös, dass ein bekannter Schauspieler öffentliche Gelder kriegt, um einen Film über einen als „kriminell“ eingestuften „Deutschlandhasser“ zu machen. Kurze Zeit später musste der stellvertretende AfD-Vorsitzende dort alle Ämter niederlegen, weil er zu dem Netzwerk Terror Nord gehört, das Waffen hortet und eine Todesliste aufgestellt hat. In diesem Stimmungsfeld bewegen wir uns. Von rechts wird man sich sicherlich positionieren. Aber das ist nicht überraschend. Und wissen Sie, ich bin schon 1987 das erste Mal in Neustrelitz von kurz geschorenen Typen in Springerstiefeln verprügelt worden, weil ich nicht rechts war. Das war noch zwei Jahre vor dem Mauerfall. Das ideologische Geflecht ist also schon viel älter. Das ist vom letzten Krieg übrig geblieben und hat sogar die antifaschistische DDR überdauert.

Monchi sagt, es ist seine Heimat, die will er verteidigen. Gilt das auch für Sie?

Ich bin eher der Nomade. Aber ich brauche den Bezug zur Heimat schon sehr. Wir haben diese Seenlandschaft, da muss ich immer wieder hin. Viele Wurzelstöcke stehen da noch. Das ist ein ganz anderes Gemeinschaftsgefühl als in der Welt des Films. Ich hätte wohl auch nie zugestimmt, „Polizeiruf“ zu machen, wenn der nicht dort spielen würde. Sodass ich jetzt auch beruflich immer wieder dahin darf.

„Bleiben oder gehen“ heißt eins der Alben von Feine Sahne Fischfilet. War das auch für Sie die Frage? Sie sind 1993 nach Berlin gezogen, kurz nach den Ausschreitungen von Rostock.

Ich wollte eigentlich auf die Schauspielschule von Rostock. Die hatte einen guten Ruf. Die sollte aber geschlossen werden und war 1992 ausgesetzt. Ich hatte aus heutiger Sicht das Riesenglück, nach Berlin zu müssen. Im Nachhinein das Beste, was einem jungen Menschen passieren konnte, in den 90er-Jahren in Berlin zu sein. Aber ich bin damals auch weg, weil es mir auf den Sack ging, ständig in Trouble zu geraten. Damals war es auch viel radikaler. Es gab kein Schulfest, ohne dass wir überfallen worden wären. Ich habe manchmal im Theater geschlafen, weil die wussten, dass ich da war, und mir aufgelauert haben. Ich war so müde von dieser blöden Gewalt. Aber ich bewundere Leute wie Monchi, die geblieben sind, die ihre Heimat nicht aufgeben wollen und verteidigen. Den Film gemacht zu haben, ist meine Art, für die Region einzustehen.

Werden Sie wieder mal Regie machen?

Ich halte mich erst mal zurück. Wenn, dann geht das bei mir nur über den Inhalt. Ich würde das nicht machen, nur um wieder Regie zu führen. Und sollte ich mich mal an einen Spielfilm wagen, dann sicher nicht mit mir als Schauspieler. Ich würde mich auch unbedingt wieder absichern mit guten Leuten, die da zu Hause sind. Vielleicht ist es ja gut, wenn man so eine Quatschbacke wie mich hat, die was anschieben kann.

Wir haben seit Kurzem einen Heimat­minister. Was ist Heimat für Sie?

Ganz persönlich natürlich Mecklenburg-Vorpommern. Diese Landschaft und die bodenständigen Menschen, die sehr bescheidene Klarheit dort. Mehr aber nicht. Das Heimatgefühl, das Nest, wo das unruhige Wesen in mir zur Ruhe kommt, das ist meine Familie, und die ist nicht ortsgebunden. Ruhe, das verbinde ich mit Heimat. Und Stille. Auch wenn ich so viel laute Musik höre.