Hamburg. Das Duo Matria und das L.A.N. Trio im Rolf-Liebermann-Studio: Musikalisch weitgehend top, in Sachen Ambiente mit Luft nach oben.

In den 60er- und frühen 70er-Jahren gab es die Fernsehserie „Time Tunnel“, in der mittels Zeitmaschine unter anderem in die Vergangenheit gereist werden konnte. Das war technisch natürlich alles hoch kompliziert und geht eigentlich viel einfacher – jedenfalls, wenn es auch schon ein paar Jahrzehnte Rückreise tun. Einfach mal zu einem Konzert der Abo-Reihe „NDR Jazz“ ins Rolf-Liebermann-Studio gehen.

NDR Jazzreihe: Es scheint, als sei die Zeit stehen geblieben

Das Publikum ist allerdings keineswegs, wie bei einer Reise in die (eigene) Vergangenheit zu erwarten, jugendlich, sondern zu einem großen Teil im Rentenalter oder kurz davor und hat schon seit ewigen Zeiten ein Abonnement, darauf deuten Gespräche im Foyer („Als Rentner hat man ja eigentlich nie Zeit ...“, „Ganz früher haben wir mal viel weiter oben gesessen“) hin. In der Pause gibt es 70er-Jahre-Gedächtnis-Kartoffelsalat und -Frikadellen, was sicher lecker ist, aber vermuten lässt, dass man an der Oberstraße grundsätzlich eher nicht mit jungem, hippem Publikum rechnet.

Auch die großen Anzahl an Saalordnern in dunklen Anzügen und die Sicherheitshinweise vom Band („Im Falle einer Evakuierung ...“) vermitteln den Eindruck, dass hier, in einer ruhigen Nebenstraße in Harvestehude, die Zeit stehen geblieben ist. Kurios. Macht sich eigentlich niemand Nachwuchssorgen?

Der Auftritt des Duos Matria ist ein sympathisches Kuriosum

Aber da ist ja noch die Musik – und die ist natürlich die Hauptsache. „Die Jazz-Polizei ist bei mir an der falschen Adresse“, hatte NDR-Jazzchef Stefan Gerdes schon vor Jahren im Abendblatt-Gespräch gesagt, und dieser Satz gilt immer noch, das zeigt am Donnerstagabend der Auftritt des Duos Matria, das ukrainische und Allgäuer Folklore mit Jazzelementen verbindet.

Gelegentlich ist die Gesangsbegleitung durch eine einsame Trompete doch etwas dünn, und man wünscht sich mehr Wumms, dann wieder zieht ein sanftes Wiegenlied in den Bann, oder das Alphorn sorgt für mitreißende Rhythmik. Ein sympathisches Kuriosum, dieser Auftritt von Tamara Lukasheva und Matthias Schriefl.

NDR-Jazzreihe: Eine Freude, den dreien zuzuschauen

Vergleichsweise traditionell dann das Set des L.A.N. Trios, bestehend aus Mário Laginha (Piano), Julian Argüelles (Saxofon) und Helge Andreas Norbakken (Schlagwerke). Portugal trifft auf Großbritannien, trifft auf Norwegen – und das Ergebnis ist so hochenergetisch wie lyrischer Jazz. Eine Freude, den dreien zuzuschauen, wie sie ihre Instrumente geradezu liebkosen, wie auch feinste Zwischentöne größte Bedeutung bekommen.

Wie gern sie zusammen oder eher: miteinander spielen. Schöner Abschluss eines langen Abends (inklusive Pause 160 Minuten), der aber wegen seines anachronistischen Settings irgendwie aus der Zeit gefallen wirkt.