Hamburg. Neue Sterne am Jazzhimmel: Alben von Kit Downes, dem Saturn Quartet, Vladyslav Sendecki und Jürgen Spiegel. Reinhören lohnt sich.

Nicht jede (Arbeits-)Beziehung hat der Vereinzelung während der Corona-Pandemie standgehalten. Einfach allein weitermachen und darauf vertrauen, dass man irgendwann den Faden wieder aufnehmen kann, das ist auch im Jazz keine gute Idee.

Viel besser: Gemeinsam neue Wege gehen, die Spannung trotz schwieriger äußerer Bedingungen
hochhalten – so wie Pianist Kit Downes, der sich für sein Trioalbum „Vermillion“ (ECM) mit Petter Eldh (Bass) und James Maddren (Schlagzeug) vom rhythmisch orientierten Spiel weg- und zum kammermusikalischen Miteinander hinbewegt hat.

Alben: Miniaturen strahlen Wärme aus

Das Ergebnis sind elf Miniaturen, viele nur um die drei Minuten lang, die große Herzenswärme ausstrahlen. Dabei hat Downes, geschätzt auch für sein (Kirchen-)Orgelspiel, nicht einfach im kreativen Alleingang sein Ding durchgezogen: Für gleich fünf Stücke zeichnet Petter Eldh verantwortlich. Den Abschluss bildet eine Hommage an Jimi Hendrix, dessen „Castles Made Of Sand“ im sanften Jazztrio-Stil erklingt. Betörend.

Kit Downes.
Kit Downes. © ECM

Hat Kit Downes mit ECM eine renommierte Plattenfirma im Rücken, die sich um alle Marketingfragen kümmert, sind die meisten Bands doch mehr oder weniger auf sich allein gestellt – und nutzen zum Beispiel die Internet-Plattform Bandcamp, um ihre Musik bekannt zu machen – und zu verkaufen.

Saturn Quartet fand im Studium zusammen

So auch das Saturn Quartet, das beim Jazzstudium an der Florida State University zusammenfand und mit „Synchronicities“ sein Debütalbum abliefert. Nun gehen Ricardo Pascal (Saxofon), Brendan Polk (Piano), Robin Sherman (Bass) und Gerald Watkins Jr. (Schlagzeug) zwar nicht voll ins Risiko, sondern spielen neben Eigenkompositionen auch Klassiker wie „Moon River“ (Henry Mancini) oder „Satellite“ (John Coltrane) und die Paul-McCartney-Nummer „Jenny Wren“, doch immer findet sich ein eigener Angang, eine individuelle Note.

Saturn Quartet.
Saturn Quartet. © Saturn Quartet

Die analoge Aufnahmetechnik, das live im Studio Durchspielen aller Songs, der Verzicht auf jede digitale Nachbearbeitung: All das ist wunderbar altmodisch und sorgt für einen sehr direkten Klangeindruck. „Synchronicities“ gibt es unter saturnquartet.bandcamp.com als Download für gerade mal 7,90 Euro – ein Schnäppchen.

Alben: Kompositionen sind in sich schlüssig

Es muss nicht immer ein Trio oder Quartett sein, manchmal reichen schon zwei Musiker aus, um einen Stern am funkelnden Jazzhorizont zu erschaffen – jedenfalls wenn es sich um Könner wie Pianist Vladyslav Sendecki und Schlagzeuger Jürgen Spiegel handelt, die hier Zwiesprache halten. „Just A Few Chords“ (Nur ein paar Akkorde) heißt eines der Stücke auf „So­lace“ (Skip) und das trifft es recht genau, aber was die beiden daraus machen, wie sie ein frei schwebendes Rhythmusgeflecht weben, das zeigt ihre ganze Klasse.

Sendecki&Spiegel.
Sendecki&Spiegel. © SKIP Records

Oft dominieren Sendeckis lyrische Linien, begleitet Spiegel (ansonsten Teil des Tingvall Trios) dezent, was für allerlei Momente eines fast schmerzhaft schönen Wohlklangs sorgt. Speziell bei der Coverversion von Peter Gabriels „Don’t Give Up“: Große Intimität und Kraft, doch bei aller Melodieverliebtheit gleitet nichts ins Kitschig-Süßliche ab. Klar, ein grundierender Bass würde bisweilen nicht schaden, aber er fehlt nicht wirklich, dazu sind die Kompositionen einfach in sich zu schlüssig.

Alben: Sendecki und Spiegel investierten in Musik

Auch Vladyslav Sendecki und Jürgen Spiegel gehören zu denen, die sich nicht ins Corona-Schicksal ergeben, sondern erst recht in die Musik und in die zwischenmenschlichen Beziehungen, ohne die es sie nicht gäbe, investiert haben. Hat sich gelohnt.