Hamburg. Mit „Lacuna Kitchen“ will der Theatermacher Abhishek Thapar die Unsichtbaren innerhalb der Hamburger Stadtgesellschaft sichtbar machen.
Eigentlich ist alles sehr stilecht, wie es sich für ein Restaurant gehört. Man gibt die Garderobe ab. Wird am Empfang an eine der vier langen Tafeln verwiesen. Ein Vier-Gänge-Menü ist angekündigt. Doch etwas stimmt nicht. Der Tisch ist übersät mit schmutzigem Geschirr. Aber es geht ja auch um Kunst in der interaktiven Performance „Lacuna Kitchen“ des in Amsterdam lebenden Theatermachers Abhishek Thapar, die derzeit auf Kampnagel zu erleben ist.
Kampnagel: Der Theatergast rangiert ganz unten in der Hierarchie
Sitzen darf der Besucher nur für wenige Minuten, dann wird er gleich zum Stehen aufgefordert und mit einer Küchenyoga-Session samt Krieger-Asana auf körperliche Arbeit eingestimmt. Der Gast ist hier erst mal nicht König, sondern Küchenhelfer, bekommt eine Schürze als Arbeitskleidung und rangiert ganz unten in der Hierarchie. Er darf noch nicht mal Gemüse zerteilen, sondern muss den Boden fegen und feudeln, Servietten in Bottichen waschen und anschließend bügeln und natürlich Unmengen von Geschirr spülen, abtrocknen und sortieren.
Dafür haben die Premierenbesucher knapp 10 Minuten Zeit. Das wird eng. Dabei wird man von Menschen mit Listen in der Hand in einer Sprache angetrieben, die man nicht versteht. Es herrscht geordnetes Chaos. Aber warum soll es den Theaterbesuchern besser gehen als den unzähligen in prekären Arbeitsverhältnissen schuftenden Küchenhelfern, Köchen und Serviceangestellten im Hotel- und Restaurantgewerbe? Auch in Hamburg.
Eine in Hamburg lebende Russin lernte das Gastgewerbe von ganz unten kennen
Eine davon ist Ira Hunger, die Tafel Nummer zwei als Gastgeberin betreut. Sie kommt ursprünglich aus Russland, hat zwar Politik und Geschichte studiert, aber musste mangels Sprachkenntnissen in ihrer Anfangszeit in Hotels das Frühstück zubereiten. Sie erzählt von frühem Arbeitsbeginn, harter, unterbezahlter Arbeit und Hierarchien, aber auch von einer tollen Gemeinschaft und viel Solidarität und Unterstützung der Mitarbeiter untereinander.
Man lauscht ihr beim zweiten Gang des Abends per Kopfhörer beim Programmpunkt „Conscious Listening“. An den anderen Tischen kommen die Lebensgeschichten von Alexei Bazan aus Moldawien, Anderson Dantas aus Brasilien und Mohammadou Kamara aus Mali zu Gehör, die alle Ähnliches erlebt haben. Der Theatermacher Abhishek Thapar hat eine Mission. Er will die Unsichtbaren innerhalb der Stadtgesellschaft sichtbar machen – und den Gästen ein Bewusstsein dafür geben. Der Text hat mitunter einen etwas pädagogischen Unterton, was ihm nicht immer guttut. Aber, man möchte mehr über die Gastgeber erfahren.
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Kampnagel: Das gemeinsame Essen ist ein tolles verbindendes Ritual
Eine ganz eigene Erzählung wohnt dem auf besondere Weise zubereiteten vegetarischen Menü inne, das am Ende der Maloche und des Zuhörens tatsächlich verköstigt wird. Es soll hier nicht vorweggenommen werden, nur so viel, es begeistert mit wirklich sehr originellen Zusammenstellungen, toll kombinierten Gewürzen, Gemüsesorten aus fernen Ländern, die hierzulande kaum bekannt – aber in bestimmten Läden durchaus erhältlich sind.
Sie erzählen auch vom Leben zwischen Kontinenten – und einer unheilvollen kolonialen Vergangenheit. Das gemeinsame Essen ist ein tolles verbindendes Ritual. Es erzählt sehr subtil von unterschiedlichen Wurzeln, also essbaren Pflanzen und den eigenen – und von der Schwierigkeit, aus der Fremde kommend, einen Weg zu finden – wenn man auf das harte Brot des Gastgewerbes angewiesen ist.
Abhishek Thapar: „Lacuna Kitchen“ Sa 6.5., 17 und 20 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20-24, Karten unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de