Hamburg. Die anwesende Roma-Community zeigt sich auf Kampnagel begeistert, dass hier ihre Geschichte erzählt wird.

Sinti und Roma seien die „ausgegrenzteste Einwanderungsgruppe in Europa, seit Jahrhunderten“, meint Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard. Und auch wenn man solch eine Hitliste der Diskriminierung problematisch finden kann, scheint offensichtlich: Auch unter für das Thema sensibilisierten Zeitgenossen ist die Situation der Sinti und Roma irgendwie ein weißer Fleck. Auch wenn zumindest beim „Krass Festival“ auf Kampnagel seit elf Jahren immer wieder Roma-Positionen zu sehen waren, wie Festivalleiter Branko Šimić erklärt.

Ursprünglich gegründet als Plattform für das, was man 2012 noch „postmigrantisches Theater“ nannte, hat sich „Krass“ im Laufe der Jahre konsequent zur künstlerischen Präsentationsfläche für marginalisierte Gruppen entwickelt. Und zum Beispiel eine Künstlerin wie Selma Selman für das Hamburger Publikum entdeckt, lange bevor sie zum Star im internationalen Kunstzirkus wurde.

„Krass Festival“ in Hamburg widmet sich den Roma und Sinti

Selman ist auch bei der aktuellen Krass-Ausgabe dabei, mit der Performance „Motherboards“ am Freitag und am Sonnabend – auch wenn sie, wie Šimić scherzhaft einwirft, mittlerweile in einer anderen Liga spiele und nur wegen der über die Jahrzehnte gewachsenen Freundschaft noch nach Hamburg komme. Neu aber ist, dass das gesamte Festival dieses Jahr im Zeichen von Sinti und Roma steht: „Roma City Hamburg“ sind die Tage auf Kampnagel, dem Monsun Theater und dem Oberhafen überschrieben, was ein selbstbewusstes Statement ist: Roma sind Teil dieser Stadt, die Alltagsdiskriminierung ist der Fremdkörper.

„Uns ist immer wichtig gewesen, mit jungen Menschen zu arbeiten, Selbstbewusstsein zu geben und dafür zu sorgen, dass dieser ganze Mist aufhört“, beschreibt Šimić seine kuratorische Aufgabe. Damit dieses Selbstbewusstsein auch tatsächlich gewürdigt wird, hat das erprobte Krass-Team die Zügel aus der Hand gegeben und mit Dzoni Sichelschmidt einen Gastkurator aus der Roma-Community mit eingebunden. Bloß nicht paternalistisch auftreten, bloß nicht generös eine Bühne gewähren, sondern die Bühne von vornherein denen geben, die es angeht. „Kunst kann einen Beitrag leisten, dass Sinti und Roma in Hamburg sichtbarer werden und dass ihre Stimmen gehört werden“, so Sichelschmidt.

„Krass Festival“: Eröffnungsarbeit ist zu sehr Diskurstheater

Die Eröffnungsproduktion, „Rom*nja City Reloaded“ vom Rom*nja Power Theaterkollektiv aus Wien, sorgt dabei vielleicht nicht unbedingt für Sichtbarkeit in Hamburg, dafür ist die Aufführung zu sehr abstraktes Diskurstheater. Dafür schafft der Abend aber Selbstbewusstsein: Regisseurin Simonida Selimović nähert sich in Schleifen Identitätsfragen, im Rückgriff auf Traditionen, Kulturleistungen und kollektive Traumata, nicht zuletzt auf die immer wiederkehrenden Verfolgungen, die im Völkermord unter den Nazis gipfelten.

Das ist mal mitreißend, mal unterhaltsam, in seiner repetitiven Anlage auch mal ein bisschen langweilig. Was aber kaum stört: Die anwesende Roma-Community jedenfalls ist begeistert, dass hier ihre Geschichte erzählt wird. Das Projekt Selbstbewusstsein funktioniert schonmal.

Krass Festival Roma City Hamburg: Bis 16. April, Kampnagel, Jarrestraße 20, 19. bis 23. April, Monsun Theater, Gaußstraße 149, 22. April Die Halle/Oberhafen, Stockmeyerstraße 43, Programm und Karten: www.kampnagel.de