Hamburg. Die Indierock-Band aus New Jersey lärmte großartig im St.-Pauli-Bunker. Davon kann man nie genug bekommen.
Ira Kaplan ist mal auf Platz 97 der besten Gitarristen aller Zeiten gewählt worden. Vom „Rolling Stone“, die müssen es ja wissen. Am Donnerstagabend, im Uebel & Gefährlich, war er für mehr als zwei Stunden ganz sicher die Nummer eins. Kaplan schickte die sonischen Wellen seines Instruments mit einer Konzentration in den Raum, mit Freude an der Superpower seiner sechs Saiten, dass es die pure Freude war.
Und in den allerbesten Momenten dieses Noise- und Feedback-Spektakels schwang dieser nicht mehr junge Mann seine Gitarre in abgehackten Bewegungen um seinen Rock-’n’-Roll-Leib. Als würde er sein Instrument dem Publikum gleichzeitig als anbetungswürdige Reliquie präsentieren.
Yo La Tengo: Jeder Ton ist heilig
Mit seiner glorreichen Band Yo La Tengo, mit seinem Kollegen James McNew (meistens Bass) und seiner Kollegin Georgia Hubley (meistens Schlagzeug), die außerdem seine Ehefrau ist, war Kaplan in Topform. Die Band gibt es seit bald 40 Jahren, im Frühjahr erschien ihr 17. Studioalbum „This Stupid World“, das eines ihrer besten ist. „Sinatra Drive Breakdown“, das erste Stück des Albums, ist auch live ein Dynamikmonster. Der Gott ist bei Yo La Tengo in der Gitarre, jeder Ton ist heilig.
Der Krautrock-Stoizismus der Rhythmus-Sektion unterlegte im Bunkerclub Kaplans ekstatischen Akkord-Aplomb. Und die intimen, leisen Stücke („Aselestine“) bildeten besonders im ersten Set das Gegengewicht des hypnotisch entfesselten Lärms. Georgia Hubleys Gesang ist so sanft wie der Ira Kaplans – die Magie dieser Band hat nicht wenig mit den Sound-Gegensätzen zu tun.
- Bosse – Lieber Kiezclub als volle Barclays Arena
- Ilse DeLange – Nähe, Liebe, viel Geduld und viele Gitarren
- Pixies – Rappelvoller Saal, durchwachsenes Konzert
„Last Days of Disco“ ist eines von Yo La Tengos wunderbarsten Stücken, und vielleicht mag sich manch einer im sehr vollen Uebel & Gefährlich an lange zurückliegende Disconächte erinnert haben, in denen Tanzflächen überfüllt waren und man morgens erschöpft nach Hause wankte.
Uebel & Gefährlich: Proppevoll mit erwachsenen Menschen
Yo-La-Tengo-Konzerte sind immer körperliche Erfahrungen. Und auch mentale: Wenn die E-Gitarre in einen Folksong sägt, schreckt der Geist auf. Das Publikum war sehr erwachsen und mit den Musikern gealtert; Indie-Veteranen auf beiden Seiten also, man kennt sich seit Jahrzehnten.
Enttäuscht wurde in Uebel & Gefährlich also niemand, ganz im Gegenteil. Die musikalische Brillanz, die sich in den nicht wenigen Langstrecken-Songs (Yo La Tengo haben irgendwann auch angefangen, Ambient-Elemente in ihre Songs einzubauen) verströmte, machte den Auftritt zu einem mehr als zweistündigen Fest.
Yo La Tengo: Soundlandschaften, schön und rau
Die zwischen die beiden Sets geschaltete Pause war für manch einen aber eine Herausforderung – eine halbe Stunde Unterbrechung, echt jetzt?
So waren es am Ende insgesamt mehr als zweieinhalb Stunden mit Yo La Tengo, einer Band, der man andererseits auch zugestehen will, Kraft für die Aufführung ihrer geräuschvollen Kunst zu schöpfen. Die raue Schönheit der Soundlandschaften dieser Band, von der nur Ignoranten noch nie gehört haben und die all diejenigen lieben, die auch Velvet Underground lieben, bleibt einmalig.