Hamburg. Ein wunderbarer Zauber: Die deutsch-italienische Pianistin Sophie Pacini gestaltete Melodien so intensiv und vor allem frei.

Bei Franz Liszt geht es pianistisch meist ziemlich zur Sache. Steht zum Beispiel seine große h-Moll-Sonate auf dem Programm, müssen sich alle „warm anziehen“, die Pianistin oder der Pianist und auch das Publikum. 30 Minuten Musik am Stück ohne Pause, halsbrecherisch schwere technische Passagen, aber genauso viele lyrische Stellen, verschiedene markante Themen. Alle haben eine bestimmte Funktion. Einerseits geht es hier um eine Art Klavierversion von Goethes „Faust“. Andererseits um den Lebensweg eines Menschen allgemein.

Dass die deutsch-italienische Pianistin Sophie Pacini vorher ein paar einführende Worte sprach und auch einzelne Themen kurz anspielte, war hilfreich.

Pacini in der Elbphilharmonie: Münchnerin führte sympathisch durch den Abend

Überhaupt führte die 31-jährige Münchnerin sympathisch durch ihren Chopin-Skrjabin-Liszt-Abend, intelligent und gut dosiert. Grandios, wie sie dann die lange Liszt-Sonate spannend vom ersten bis zum letzten Ton mehr als souverän servierte. Da war Spielfreude und vor allem die Fähigkeit zur inneren Ruhe. Gut, dass die noch jungen Berliner Konzertveranstalter von „Concerts Pamplona“ Sophie Pacini in der Elbphilharmonie präsentierten.

Sie hat bei den ganz Großen studiert und ist mit ihnen aufgetreten. Unter anderem Dmitri Bashkirov oder Fou Ts‘ong waren ihre Lehrer, sie konzertiert regelmäßig mit Martha Argerich, sie hat in der Berliner Philharmonie, in der Londoner Wigmore Hall oder in der Suntory Hall in Tokio gespielt und war nicht zum ersten Mal in der Elbphilharmonie.

Chopin und Skrjabin gab es vor der Pause. Pianistisch genauso anspruchsvoll wie Liszt. Nur anders. Von drei Chopin-Stücken in cis-Moll (Nocturne Op. posth., Fantaisie-Impromptu, Etüde Op. 25), über zwei kurze Skrjabin-Préludes ging es hin zur g-Moll-Ballade und zum b-Moll-Scherzo von Chopin. Eine steil ansteigende Kurve der Virtuosität. Wobei man die langen Melodiebögen etwa in Chopins berühmten cis-Moll-Nocturne – dem aus dem Film „Der Pianist“ – oder auch der „Fantaisie-Impromptu“ nicht unterschätzen darf. Klingt leichter, ist es aber nicht. Sophie Pacini gestaltete diese ausladenden Melodien so intensiv und vor allem frei, dass sich ein wunderbarer Zauber im Saal ausbreitete.

Pacini in der Elbphilharmonie: Musikerin hochkonzentriert und ohne Allüren

Sie hat keine Angst vor dem Verweilen, vor dem Blick in tieftraurige Seelenschichten. Hochkonzentriert und ohne irgendwelche Allüren sitzt Pacini am Flügel und lässt die Musik fließen. Ihre melodischen Linien strahlen warm und rund, auch bei der heftigsten Virtuosität, mit wilden Akkorden, Oktaven oder Läufen, bleibt ihr Ton immer weich.

Sophie Pacini spielt so delikat und klangbewusst, so unprätentiös, dass man sich manchmal sogar wünscht, sie würde bei hochvirtuosen Passagen ein bisschen mehr zupacken. Vielleicht hat sie Sorge, ihre faszinierende Gelassenheit zu verlieren? Die ermöglicht ihr, der Musik Raum zu geben, sich entfalten zulassen. Eine große Kunst.