Hamburg. In der Soloperformance „One Woman/One Skin“ an der Hochschule für Musik und Theater läuft sogar Strom durch den Besucherkörper.

Ein schmuckloser Kellerflur in der Hochschule für Musik und Theater (HfMT). Man wartet, dass man in den Studioraum eingelassen wird, zu Kris Kuldkepps Performanceinstallation „One Woman/One Skin“, und während man wartet, hört man hinter der Tür, gelinde gesagt, unheimliche Geräusche: ein Knirschen, ein Schleifen, ein Schmatzen. Ein bisschen ist man beunruhigt, aber dann öffnet Kuldkepp die Tür und erklärt, was gleich passieren wird: Sie werde einen berühren, sie werde Kabel an einem befestigen, es werde laut sein. Aber man könne jederzeit abbrechen, wenn einem unwohl sei. Alles gut: Kuldkepp ist empathisch, sie ist aufmerksam, man hat das Gefühl, dass man ihr vertrauen kann. Also lässt man sich auf das Projekt ein.

Die Künstlerin hat in Hamburg aufwendige Installation gebaut

Die gebürtige Estin hat den Masterstudiengang Contemporary Performance and Composition abgeschlossen, mit „One Woman/One Skin“ schließt sie ihr Promotionsprojekt an HfMT und an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften ab. Die Künstlerin hat hierfür eine aufwendige Installation in den Hochschulkeller gebaut: Drähte durchziehen den Raum, Lichter wechseln die Farbe, geisterhafte Sounds sorgen für Desorientierung. Und die Performerin vollzieht ritualisierte Aktionen. Sie legt Teller mit Glasperlen auf einen Lautsprecher, die durch die Schallwellen selbst Geräusche produzieren, sie erzeugt Sounds mit Objekten, sie leitet Spannung durch einen aufgeschnittenen Apfel (den sie schließlich auch verspeist), sie musiziert.

Und irgendwann legt sie ein Kabel an den Handrücken des Besuchers an, ein weiteres an seinen Fuß, sobald er ein Kupferrohr berührt, fließt Strom durch seinen Körper – und bringt so ebenfalls die Elektronik zum Klingen. Der Besucher wird so Teil der Installation, er wird zum Instrument, zum Klangkörper, und wenn er das erstmal verstanden hat, dann ist er baff.

Alleine mit der Künstlerin: eine grenzüberschreitende Situation

Die rund halbstündige Arbeit beinhaltet freilich einen unangenehmen Aspekt: Man ist alleine mit der Künstlerin, das ist eine intime, grenzüberschreitende Situation, auf die man sich erst einmal einlassen muss. Wer diese Schwelle aber erst einmal überschritten hat, erlebt ein Stück, das auf faszinierende Weise die Disziplinen vereint. „One Woman/One Skin“ ist wegen seines Konzertcharakters Musik, natürlich, aber es ist auch Bildende Kunst, Darstellende Kunst, Technik, und weil man weiß, dass das Stück ohne das eigene Mitwirken nicht hätte entstehen können, ist man auf eine ganz eigenartige Weise verzaubert. Man hat kein Kunstwerk angeschaut, man war ein Kunstwerk. Den Weg zurück durch das Kellerlabyrinth der Hochschule geht man wie auf Wolken.

„One Woman/One Skin“ bis Freitag, 14. April, 15 bis 22 Uhr, Hochschule für Musik und Theater, Raum ELA 1, Harvestehuder Weg 12, Anmeldung für halbstündige Zeitslots via www.kristinkuldkepp.net, Eintritt: Spende