Hamburg. Bundesjugendballett und Mozartfest Ensemble zeigen mit „Die wilden Fantastereien des Wolfgang Amadé“ ein Musik-Tanz-Crossover.

Die Besucher stehen, sitzen, lümmeln in den Wilhelmsburger Zinnwerken, aus den Lautsprechern mischt sich leise Musik mit geschäftigem Plaudern, jemand bestellt ein Bier. Und plötzlich erkennt man: Die Musik kommt nicht nur aus der Konserve, immer wieder sind live gespielte Klänge zu hören, ein Cello, eine Flöte, kurze Tonfolgen aus Mozarts „Zauberflöte“. Und tatsächlich bahnen sich Musiker ihren Weg durch die Menschen, mischen sich unters Publikum.

Der Einstieg in „Die wilden Fantastereien des Wolfgang Amadé“, eine Koproduktion von Mozartfest Ensemble und Bundesjugendballett, ist geisterhaft: Kevin Haigen (Regie) und David Dieterle (musikalische Leitung) haben ein grenzenloses Kunstwerk geschaffen, ohne Anfang und Ende, ohne klare Abgrenzung zwischen Musik und Tanz. Irgendwie performen hier alle, die Musiker ebenso wie die acht Tänzer.

Bundesjugendballett: Technische Perfektion und Humor

„Die wilden Fantastereien“ sind der Abschluss des Hamburger Mozartfestes: Zu Beginn choreografiert Raymond Hilpert zu Streichquartetten des Namensgebers hübsche Ballettminiaturen, Parallelsprünge, Pirouetten, Hebefiguren, ausgeführt mit der technischen Perfektion, die man von den Mitgliedern des Bundesjugendballetts kennt. Das ist klassisches Bewegungsrepertoire, aber es fasziniert, die jungen Tänzer zu beobachten, wie sie sich diese Bewegungen aneignen, mit welcher Freude am eigenen Körper hier die Konvention zu etwas ganz Eigenem wird. Und auch mit welchem Humor: Moisés Romero etwa empfiehlt sich mit sicher getanzten Solopassagen für Größeres, am Ende aber wird er von der Gruppe harsch ins Gesamtstück integriert.

Im zweiten Teil wechselt das Publikum die Plätze, gespielt werden Passagen aus der „Zauberflöte“ als eine Art Musiktheater-Ballett mit Bariton Martin Lissel und Sopranistin Caroline Bruker. Dieser Teil findet in einer arenaartigen Nebenbühne statt, und vielleicht ist das der Wermutstropfen des Abends: dass hier nur diejenigen etwas sehen, die sich mit Ellbogeneinsatz nach vorn gedrängt haben. Der Autor jedenfalls hat es nicht bis zur Bühne geschafft, gleichwohl lässt sich die überirdische Schönheit der Musik auch von weiter hinten genießen.

Bundesjugendballett: Selbst der Dirigent tanzt ein paar Schritte

Außerdem geht es von dort aus schneller zur dritten Station. Großformatige Gruppenchoreografien sind jetzt zu sehen, aggressive, wuchtige Passagen mit Ausgriffen in die Tanzmoderne. Zwischendurch wird das Orchester wieder in die Performance geholt, man fürchtet, dass Dirigent Dieterle der Tänzerin Almudena Izquierdo im Weg stehen würde, aber die Beinahe-Kollision ist inszeniert, plötzlich tanzt Dieterle selbst ein paar Schritte, um sich dann wieder seiner eigentlichen Aufgabe zu widmen. Reizend! Und lustig!

In diesen lustigen Momenten versteckt sich sogar ein subversives Element: Die Uraufführung findet am Karfreitag statt, und da ist sinnesfrohes Tanzen eigentlich verboten. Was hier mit viel Spaß performt wird, kann man also auch als Protest gegen als unsinnig empfundene Tanzverbote interpretieren. Diese Subversion fehlt bei den Folgeaufführungen an den Ostertagen, ein überaus charmantes Tanz-Musik-Crossover allerdings ist der Abend dennoch.

Die wilden Fantastereien des Wolfgang Amadé Wieder am 8. April, 18 und 21 Uhr, 9. April, 15 und 18 Uhr, Zinnwerke Wilhelmsburg, Am Veringhof 7, TIckets über www.mozarthamburg.de bzw. www.bundesjugendballett.de