Hamburg. BAP-Frontmann inszeniert im Schmidts Tivoli sein großes Vorbild – spart dabei aber auch weniger schöne Anekdoten nicht aus.

Als letzte Zugabe singt Wolfgang Niedecken „Songs sinn Dräume“, eines der schönsten BAP-Lieder. „Songs sind wie Träume, die man wahr zu machen versucht. Sie sind wie fremde Länder, die man bereist.“ Inspiriert zu diesem Lied hat ihn ein Satz in Bob Dylans Autobiografie „Chronicles“.

Mit seinem Programm „Niedecken liest & singt Bob Dylan“ gastierte der Gründer der Kölsch-Rock-Band BAP am Sonntag im ausverkauften Schmidts Tivoli, begleitet von seinem fulminanten Weggefährten Mike Herting am Flügel.

Wolfgang Niedecken interpretiert Dylan auf Kölsch

Diesen Abend hatten die Niedecken-Fans in gewisser Weise der Pandemie zu verdanken. „Durch Corona hatte ich endlich Zeit für ein Buch über Dylan“, erzählt der 72-jährige Musiker. Ursprünglich konzipierte Niedecken dieses Programm nur für seinen Auftritt beim Harbour Front Literaturfestival 2021 in der Elbphilharmonie: „Aber dann habe ich mir gedacht, dass sich die ganze Arbeit für einen Abend nicht lohnt.“

Inzwischen haben Niedecken und Herting mehr als 80 Konzerte dieser Tour absolviert. Das Duo wechselt mühelos mitten in den Dylan-Songs zwischen englischem Original und Kölscher Version. „Sind ja beides Weltsprachen“, sagt Niedecken.

Niedecken erlebte Albtraum-Konzert von Bob Dylan

Nun bergen Hommage-Gastspiele immer ein gewisses Risiko – von peinlicher Lobhudelei bis zur vorgegaukelten Nähe zu der Legende. Niedecken kann das nicht passieren. Er nennt den Literatur-Nobelpreisträger zwar den „Meister“, aber berichtet auch von einem Albtraum-Konzert. Mit miesem Licht und Sound – und einem lustlosen Star.

Und eine große persönliche Verbindung habe es nie gegeben. Niedecken traf Dylan nur zweimal – einmal mit dem Regisseur Wim Wenders und einmal im Auftrag eines Instrumentenherstellers bei der Übergabe einer Gitarre nach einem Konzert in Saarbrücken.

Wolfgang Niedecken nutzt die intime Tivoli-Atmosphäre

Niedecken lässt indes keinen Zweifel, wie sehr ihn Dylan geprägt hat: „Ohne ihn wäre ich mit Sicherheit nie Musiker geworden.“ Der Dylan-Song „Like A Rolling Stone“ habe ihn als 15-Jährigen „wie ein Blitz getroffen“. Niedecken drückte seinen im Quelle-Katalog erstandenen Bass einem Kollegen seiner Schüler-Band in die Hand, übernahm den Gesang – und schrieb fortan Lieder auf Kölsch.

Bei BAP-Konzerten gönnt sich Niedecken nur kurze Text-Passagen, er weiß, dass die Fans nach all den Hits wie „Verdamp lang her“ dürsten. Erst in ruhiger Club-Atmosphäre wie im Tivoli wird offenbar, dass Niedecken auch ein wunderbarer Erzähler ist.

Wie Niedeckens „Senioren-Handy“ gestohlen wurde

Entspannt plaudert er über die Erlebnisse bei den Dreharbeiten für seine Arte-Serie „Bob Dylans Amerika“, schildert, wie der Van des Teams aufgebrochen wurde – und neben seinem „Senioren-Handy mit vielen eingespeicherten Nummern von Prominenten“ seine kostbare Kladde mit persönlichen Aufzeichnungen entwendet wurde.

Zum Glück hätten die Diebe nur die gestohlenen Computer und Objektive behalten, den Rucksack mit Kladde und Handy an der nächsten Kreuzung weggeworfen. Ein ehrlicher Finder gab ihn bei einer Polizeiwache ab.

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Ergreifender Erstling über 93 Jahre alte Frau

Das mit „Songs sinn Dräume“ berührendste Lied des Abends hatte indes mit Dylan nichts zu tun. „Leev Frau Heermanns“, Niedeckens erstes Lied überhaupt, das er 1976 als Zivildienstleistender in einer Altentagesstätte für eine 93-Jährige schrieb.

„Hat viel durchgemacht, sich nie beklagt, nie große Töne geschwungen, immer lustig, stillvergnügt“, singt Niedecken auf Kölsch. Verdamp lang her. Und immer noch ergreifend.