Hamburg. Der Kabarett-Entertainer Hamburger Herkunft begeisterte im Tivoli mit seinem sechsten Klavier-Programm „Wandelmut“ Jung und Alt.

Das Publikum im Saal, das ist von Anfang an im Schmidts Tivoli spürbar, es hat Bodo Wartke gefehlt. Bei kaum einem Satiriker hierzulande ist es so bunt gemischt, wie beim in Hamburg geborenen, künstlerisch sozialisierten und bis heute (im Grindelviertel) geschäftlich verwurzelten Kabarett-Entertainer. Von Kindern im Grundschulalter, wie der Achtjährigen aus Lüneburg, die mit Eltern erwartungsvoll im Parkett sitzt, bis zum Rentner-Ehepaar auf der Galerie reicht die Spanne.

„Sind Sie nicht … ?“ – mit der musikalischen Frage, ob er Bodo Wartke sei oder doch Edward Snowden, nimmt der Mann im schnieken roten Anzug gleich mal ironisch Kontakt zu alten und jungen Fans auf. Schon damit beswingt Wartke. Seine (Klein-)Kunst lebt von der Interaktion. Zum ersten Mal spielt er sein sechstes Klavierkabarett-Programm „Wandelmut“, das kurz vor der Corona-Pandemie im Februar 2020 in seiner Wahlheimat Berlin Premiere hatte, in einem Hamburger Theater.

Bodo Wartke im Tivoli: Mit Wortwitz und Musik für das Gute

Einiges hat sich seitdem verändert, auch Wartkes Lebensumstände. Sein jazziges Lied „Der neue Job“, in dem der smarte Mittvierziger den Stress eines Vaters beschreibt, ist ein Ausdruck dessen.

Seit Wartke 1998 mit seinem erstes Programm „Ich denke, also sing ich“ in der kleinen Agma-Zeitbühne (heute: Bühne im Bürgertreff) in Altona-Nord Premiere gefeiert hatte, hat er etwa mit späteren Solowerken dreimal im ausverkauften Stadtpark gastiert und mit seinen zeitgemäßen Bühnenstücken „König Ödipus“ und „Antigone“ im Sommer 2019 das Thalia Theater gefüllt. Seine Bearbeitung der „Antigone“ ist inzwischen Schulbuchstoff. Dass Wartke Anfang Juni in Kassel den Deutschen Sprachpreis erhält – nur ein weiteres Mosaiksteinchen in der Karriere des Kreativkopfs.

Reim-Meister geht das Fernsehen an: „nicht formatkompatibel“?

Wortspiele und versteckte Gesellschaftskritik sind immanenter Teil seiner Songs. So recycelt Wartke auch den „Regen“, 2001 geschrieben, „der nicht aufhört, mich aufzuregen“ – im Tivoli als Reggae in der Klimawandel-Edition 2023.

Direkter geht der Reim-Meister das Fernsehen an, für das er mit seinen längeren Liedern laut TV-Redakteuren „nicht formatkompatibel“ sei. „1 ½ Min.“, lautet Wartkes spöttische Antwort. In „Shorties“ geht es ohne Klavier noch kürzer: Vierzeiler, Zweizeiler bis hin zum Einzeiler für die Autobahn: „Gelegentlich – Gegenlicht!“

Bodo Wartke im Tivoli: Unterhaltung mit Haltung

Bei aller Unterhaltung, kulminierend im Gangsterschlager (Stil-Mix aus Gangsta-Rap und Schlager) mit Klavier und zwei Rhythmus-Eiern in den Socken, steht, singt und spielt hier ein Künstler mit Haltung. Den Missbrauch der Religionen prangert Wartke mit „Nicht in meinem Namen“ an. Nach der Pause, nun in grünem Anzug, zeigt er in „Die Lösung“, dass es „Herren-Rasse und Menschen zweiter Klasse“ eben nicht gibt. Im „Land in dem ich leben will, herrscht Demokratie und statt skrupellosem Kapitalismus Gemeinwohl-Ökonomie“, singt Wartke.

Mozarts „Kleine Nachtmusik“ macht er auch ohne Gesang tanzbar. In fast 20 Liedern lässt Wartke zu Klassik, Pop, Boogie-Woogie und Ragtime kaum einen Stil aus. Die erste Zugabe „Pusten, Aua weg!“, klingt zwar nach Kinderlied, ist aber viel mehr, ebenso das schwarzhumorige „Ja Schatz“ (1999) und schließlich (Du gehörst ins) „Bett“, seine Version von Michael Jacksons Hit „Bad“. Nach mehr als zwei Stunden wird auch der aufgekratzten Achtjährigen aus Lüneburg klar, dass es nun dorthin geht. Sie dürfte wiederkommen – ob nun mit oder mal ohne Eltern...

„Wandelmut“ bis 1.4., Do, 19.30, Fr/Sa jew. 20.00, Schmidts Tivoli, Spielbudenpl. 27/28, Restkarten ab 27,20: T. 31 77 88 99; www.tivoli.de; www.bodowartke.de