Hamburg. Die Symphoniker Hamburg und Star-Geiger Benjamin Beilman begeisterten in der Laeiszhalle unter der Leitung der Ersten Gastdirigentin.

„Klingender Sichtflug“, so ist das siebte Symphoniekonzert in der Laeiszhalle betitelt. Und was für ein Klang! Und was für ein Flug! Drei große russische Werke verschiedener Epochen treffen auf die neue Generation an Dirigentenpult und Solo-Violine. Han-Na Chang, die seit der Spielzeit 2022/2023 Erste Gastdirigentin der Symphoniker Hamburg ist und bereits mit Mischa Maisky zu erleben war, schreitet sogleich zur Tat: Geradeheraus navigiert sie das Orchester durch Glinkas Ouvertüre zu „Ruslan und Ljudmila“.

Dabei beweist ihr Dirigieren erneut Feingefühl – Han Na lässt Zartes zu und gibt Ruhigem Raum, während die lebendigen Passagen von einer erfrischenden Leichtigkeit durchzogen sind. Die Symphoniker Hamburg legen mit ihr eine makellose Ouvertüre auf die Bühne und setzen einen schwungvollen Beginn für das, was da kommt an diesem Abend. Und es kommt Großes: Benjamin Beilman, der 1989 geborene und international gelobte Geiger, spielt Prokofjews Violinkonzert Nr. 1. Der gebürtige US Amerikaner tritt in den Konzertsälen dieser Welt auf und wurde im vergangenen Jahr als einer der jüngsten Künstler als Lehrer an das Curtis Institute of Music berufen, das renommierte Konservatorium mit Absolventen wie Hilary Hahn und Lang Lang. Außer Frage: Hier steht ein außergewöhnliches Talent.

Star-Geiger Benjamin Beilman trifft das goldene Tempo

Beilman zeigt schon in den ersten Takten seine musikalische Intelligenz, der Violinist beginnt unerschrocken in langsamem Tempo. Er stürmt nicht hinein in das Stück, sondern lässt es sich entfalten; er wahrt souverän die Ruhe am Anfang, spielt die Bögen nuancenreich aus und behält seine Klarheit auch in den wispernden, rauschenden Höhen, die alles mit Sphärischem umhüllen. Vor allem aber trifft er das goldene Tempo, das ihm später zugutekommt: Nichts entgleitet ihm im losbrechenden zweiten Satz; bestimmt und furchtlos beherrscht er das Orchester auch im vor Energie sprühenden Scherzo vivacissimo und hält es bei sich. Ein atemberaubender zweiter Satz, herausragend kontrolliert gespielt.

Und der dritte folgt sogleich: Han Na lässt die Symphoniker Beilman im Moderato umkreisen und strahlen. Das Orchester trägt ihn, und in den Wogen der Melodie ist er ganz und gar in seinem Spiel. Voll stillem Selbstbewusstsein stürzt er von den höchsten Höhen in die tiefsten Tiefen und rauscht über glänzende Harmonien, bevor das Konzert mit den letzten Tönen in schwerelose Weiten entschwindet.

Han-Na Chang hat das Orchester zu jedem Zeitpunkt im Griff

Der zweite Teil des Abends gilt Schostakowitschs Fünfter Symphonie. Bei diesem Komponisten schwingen stets Leben und Leiden unter dem Stalin Regime mit und die von der Musikwissenschaft so oft analysierten verborgenen Botschaften. Die Symphoniker Hamburg warten mit einer Großbesetzung auf, um diesem Werk gerecht zu werden. Der erste Satz lässt zwischen all den Bläserpassagen Schostakowitschs, die lyrisch Gestrichenes durchbrechen, wunderbare Violinen-Soli sowie Flöten- und Klarinetten-Momente zu. Die Symphoniker malen präzise die starken Kontraste von Idylle und Härte. Das scheinbar Leichte und Tänzerische des zweiten Satzes schlägt in verzerrte, volkstümliche Melodien um, Fagott und Violine treten hervor, um im dritten Satz, Legro, alle Bedrängnis in leidgetränkten Melodiebögen auszuspielen.

Han-Na Chang hat das Orchester zu jedem Zeitpunkt im Griff und schreitet voran in das Finale: ein dunkler Marsch, eine militante Figur, über die sich die Musik in martialischer Wucht ausbreitet, ein metrischer Jubel – der „inszenierte Triumph“ Schostakowitschs. Mit Paukenschlägen endet ein Konzert, das im Saal Begeisterung, kaum abebbenden Applaus und Standing Ovations auslöst. Ein großes Bravo!