Hamburg. Wie das NDR Elbphilharmonie Orchester unter Leitung von Jukka-Pekka Saraste im Großen Saal bewies, dass etwas Wahres am Klischee ist.

Wenn jemand ein Musikstück in seiner Erscheinungsform vollkommen verändert, dessen Gehalt aber im Kern bewahrt, dann beherrscht er sein Metier. Wie der finnische Komponist (und Dirigent) Esa-Pekka Salonen. Der hat sich von Bachs heiter-virtuosem Perpetuum Mobile, dem Preludio aus der E-Dur-Partita für Violine solo, unter dem Titel „Fog“ zu einer Art Übermalung inspirieren lassen, die das NDR Elbphilharmonie Orchester nun unter der Leitung von Jukka-Pekka Saraste aufführt.

Die ersten Töne, die bei Bach dem musikalischen Brummkreisel den Schwung geben, tropfen bei Salonen fast zögernd nieder, als wäre die Schwerkraft in diesem Moment aufgehoben. Die Sechzehntelbewegung wandert durch das Orchester, mal kreiselt sie dabei meditativ, mal rumort sie im Hintergrund, bis sie bei den Geigen ankommt. Die Naturstimmungen, die Salonen darüberlegt, verleihen dem Ganzen einen impressionistischen Hauch. Ein spannender Auftakt für Fantasie und Sinne.

Elbphilharmonie: Cellokonzert von Édouard Lalo kann nicht mithalten

Das nachfolgende Cellokonzert von Édouard Lalo kann da leider nicht ganz mithalten. So löblich es ist, ein heutzutage selten zu hörendes Werk aufs Programm zu setzen, so glutvoll Daniel Müller-Schott den Solopart spielt und dabei stets den Kontakt mit Orchester und Dirigenten einfordert, die Substanz des Stücks trägt nicht über seine Dauer. Dabei hat Lalo, selbst ein erfahrener Musiker, durchaus charmante Ideen, etwa wenn er im Intermezzo einen melancholisch singenden Teil mit einer federleichten spanischen Tanzweise kontrastiert.

Für die Zugabe muss der Konzertmeister Roland Greutter ran. Müller-Schott hat die süffige Passacaglia von Johan Halvorsen für Geige und Cello mitgebracht wie vor fünf Jahren schon einmal. Damals war seine Partnerin an der Geige Julia Fischer, und die Tonspur der überwältigend intensiven Version von damals läuft im Kopf unweigerlich mit. Dagegen fällt die Passacaglia im Vergleich blass und auch etwas instabil aus.

Elbphilharmonie: Sibelius klingt nach einer Hommage ans Meer

Für den mauen Eindruck entschädigt nach der Pause die zweite Sinfonie von Jean Sibelius. Da sind Orchester und Dirigent ganz bei sich. Es ist etwas Wahres am Klischee: Bei Sibelius sind Naturschilderungen nie fern. Wenn zu Beginn die Tonrepetitionen wogen, die Zweierbindungen unter der Oberfläche murmeln, dann klingt das mitreißend nach einer Hommage ans Meer.

Am ganzen Abend ist es im Saal nicht so mäuschenstill wie in dem Moment, in dem der langsame Satz in verzweifelt abgedunkeltem Blech zum Stillstand kommt. Und was tut Sibelius? Er lässt die Beleuchtung übergangslos zu einer tastenden, milden Streicherfarbe wechseln. Der Puls darf weiterfließen. Diese Sinfonie ist wie das Leben selbst.