Die bislang teuerste öffentlich-rechtliche Serie führte zum Streit mit Frank Schätzing. Keine Bange: Die Krabben greifen dennoch an.
- Das ZDF hat mit großem Aufwand den Bestseller "Der Schwarm" von Frank Schätzing verfilmt
- Das bei der Berlinale vorgestellte Ergebnis überzeugt zumindest den Autor überhaupt nicht
- Doch was ist dran an der Kritik?
Wenn Autoren ihre Romanstoffe den Fernsehleuten geben, kann das schmerzhaft ausgehen. Besichtigen kann man das dieser Tage an Frank Schätzing. Vor knapp 20 Jahren hob er mit seinem Ökothriller „Der Schwarm“ deutsches Suspense-Schreiben auf internationales Niveau. Im vergangenen Jahr stieg er kurzerhand aus dem Gestalter-Team der „Schwarm“-Verfilmung aus – wegen unterschiedlicher Vorstellungen.
Die lagen allerdings nicht darin begründet, dass der Romanstoff für die Bildschirmadaption dramaturgisch umgestylt wurde. Sondern darin, dass Schätzing, der ursprünglich zum Storytelling-Team gehörte, die Story unbedingt vor allem modernisieren wollte.
Rechtzeitig zur Berlinale, wo die vom ZDF angeführte internationale Produktion jetzt Weltpremiere feierte, und vor dem Sendestart in der ZDF-Mediathek am 22. Februar stänkerte Schätzing nach Kräften gegen den Fernseh-„Schwarm“. Es „pilchere“ zu viel und „schwärme“ zu wenig, so der Autor. Ganz schön gemein, dem öffentlich-rechtlichen Sender die Freude am bislang teuersten Projekt dieser Art so zu verderben. Und natürlich auch ein herrlich misstönendes Kompetenzen-Spektakel.
Der Schwarm: Opulente Bilder, tolle Landschaftsaufnahmen
„Zusammengeschusterter Unsinn“ (Schätzing) also? Wenigstens war der selbstbewusste Autor ein bisschen großzügig, lobte etwa Look, Musik und Sounddesign. Zu Recht: Der Achtteiler offenbart hierzulande ganz ungewohnte ästhetische Qualitäten. Man merkt, dass das Budget bei mehr als 40 Millionen Euro lag und „Game of Thrones“-Macher Frank Doelger als Produzent beteiligt war.
Nach deutschen Maßstäben wurde bei dieser Prestige-Serie tatsächlich groß gedacht. Das sieht man aber mehr bei den Spezialeffekten und dem szenischen Aufwand als der Schauspielerriege. Letztere ist gemäß der Handlungsorte international und sicher nicht schlecht, die Stars haben aber das Kaliber Oliver Masucci, Franziska Weisz („Tatort“) oder Barbara Sukowa – Qualität, aber keine Zugpferde. Premiumliga sind die opulente Bildsprache und die Landschaftsaufnahmen – und die vielen am Computer entstandenen Visualisierungen.
Der Roman war souverän geplottet, mit den üblichen Zuspitzungen und Spannungsfaktoren; das Thema selbst dringlich in einem Zeitalter der wissenschaftlich bewiesenen Klimakatastrophe und dem menschlichen Versagen beim Gegensteuern. Was wäre, wenn der Planet sich wehrt? So wie in der ersten Szene, die filmisch den Grusel der Buchvorlage noch verstärkt. Bilder wirken gerade im Thrillergenre stärker als Buchstaben. Also, erste Szene: Ein Fischer wird von einer gewaltigen Fisch-Armada angegriffen. Er hat gar keine Chance gegen den massiven Angriff. Was geht hier denn ab?
Die Schwarmintelligenz aus der Tiefe des Ozeans
Wie erst allmählich klar wird, bedroht eine bislang unbekannte Schwarmintelligenz aus den Tiefen der Ozeane die Menschheit. Der Mehrteiler nimmt sich Zeit, die weltweit auftretende Gefahr in ihren unterschiedlichen Ausprägungen zu erzählen.
Außer den Fischangreifern sind das Krabben, die in aberwitzigen Mengen das Meer verlassen und tödliche Erreger an Land bringen. Hummer, die explodieren und dieselben Erreger verteilen. Wale im Zerstörungswahn, die Schiffe versenken. Eiswürmer, die den Grund des Ozeans destabilisieren und Tsunamis auslösen.
Wie der Roman breitet die Serie das katastrophische Geschehen mit dunkler Lust an der Eskalation vor dem Rezipienten aus. Und wer nach der Lektüre der Buchvorlage das Meer in einem anderen Licht sah, wird es nach dem Schauen der Serie erst recht tun.
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Und was ist nun mit dem „rühr- und redseligen Beziehungskisten-TV“, von dem Schätzing sprach, dem angeblichen Pilcher-Effekt? Ja, das Gefühlige ist, keineswegs überdosiert, tatsächlich vorhanden. Man muss aber gar nicht das betuliche Schmonzetten-Format als Vergleichsgröße hinzuziehen.
Im Gegenteil, das Menschliche, allzu Menschliche, der Emo-Anteil der Handlung – unglücklich verliebte Forscher etc. – balanciert die hochtourige Katastrophen- und Wissenschaftsaction sauber aus. Wobei Schätzings Kritik vor dem Hintergrund der romantischen Motive in seinem Buch ohnehin verwundert.
Die Erzählung prescht permanent voran
Mit ständigen Szenewechseln (Kiel, Shetland-Islands, Japan, Italien, Norwegen) und einer Vielzahl an Figuren (obwohl das Personal des Romans ausgedünnt wurde) prescht die Erzählung permanent voran und ruht sich dabei lange nicht aus.
Erst im letzten Drittel gibt es ein paar Manöver im Hinblick auf Figurenzeichnung und Dialoge mit Tiefgang, als sich die unabhängig und anfänglich aufgrund der bizarren Gefahrenlage konfus agierenden Forscher in einer unbeirrbaren inoffiziellen Taskforce gegen den Alien-haften Gegner zusammentun, der der Menschheit die Zerstörung der Natur nicht verzeiht.
Der Schwarm lebt vom Thema, nicht den Figuren
Dem Rhythmus der Serie tut das gut, man hätte sich davon noch mehr gewünscht. Ein Thriller muss nicht nur mit, sondern auch ohne Tempo punkten. Hier ist das ansatzweise auch mal der Fall. Die Serie lebt wie das Buch eher vom Großthema als von Figuren wie dem norwegischen Bio-Prof Sigur Johanson (gespielt vom Schweden Alexander Karim) und dem kanadisch-indianischen Wal-Spezialisten Leon Anawak (gespielt von dem Kanadier Joshua Odjick).
„Der Schwarm“ ist durchaus überdurchschnittliches Genre-Fernsehen, ein optisch ansehnlicher, geschickt und spannend inszenierter Thriller, dessen Botschaft auch ohne die von Schätzing eingeforderte Aktualisierung etwa im Hinblick auf eine Rolle Chinas klar ist: Irgendwann wird die Menschheit für ihr verantwortungsloses Tun bezahlen. Tatsächlich überall auf der Welt.