Hamburg. Was die Musikerin nervt, singt sie nicht. Es ist eine Haltung, für die sie das Publikum im Centralkomitee in Hamburg liebt.

Stolz zeigt sie ihre Kapitänsmütze, gefertigt bei Mützenmacher Eisenberg an der Steinstraße. „Eine solche Mütze trägt man nur mit Haltung“, sagt Ulla Meinecke bei ihrem Konzert am Sonnabend im fast ausverkauftem Centralkomitee, einst Polittbüro, am Steindamm in Hamburg. Und Haltung habe sie gebraucht in den einsamen Corona-Zeiten ohne Chance auf Auftritte.

Kapitänin? Passt. Mühelos hätte sie ein Best-of-Programm für ihre Tour an der Seite des Keyboarders Reinmar Henschke zusammenstellen können. In den 1980er Jahren standen ihre Platten in vielen Sammlungen, irgendwo zwischen Marius Müller-Westernhagen, Rio Reiser und Ina Deter.

Ulla Meinecke lehnt Anfragen für Casting-Shows ab

Aber wer wie Ulla Meinecke seit Jahr und Tag die mediale Tür zu ihrem Privatleben fest verschließt, liefert nicht auf Bestellung. Ihren größten Hit „Tänzerin im Sturm“ singt sie erst als Zugabe, auf „Schlendern ist Luxus“ verzichtet sie ganz. Als ein Zuschauer sich ihr Liebeslied „Für Dich tue ich fast alles“ wünscht, schüttelt die Kapitänin den Kopf. „Als dieser Text entstand, war ich 20, jugendlich und naiv. Damit kann ich mich nicht mehr verbinden. Wenn mich was nervt, singe ich es nicht“, hat sie einmal in einem Interview gesagt.

Mit der gleichen Konsequenz lehnt sie seit Jahren alle Anfragen für Casting-Show-Jurys ab: „Teenager quälen ist einfach nicht mein Hobby.“ Überhaupt werde sie keine Sachen machen, die sie schon mit Anfang 30 abstoßend fand.

Die Kapitänin singt „Junimond“ von Rio Reiser und berührt das Publikum

Und doch – oder vielleicht gerade deswegen – feiert sie ihr Publikum. Auch die Lieder, die kaum jemand im Saal kennt. Wie „Der Mann im Mond ist ein Mädchen“, entstanden in einer Nacht in ihrer Küche in Berlin mit Prinzen-Sänger Tobias Künzel. Dann greift sie, wie sie sagt, in ihre „musikalische Notfallapotheke“, singt „Grapefruit Moon“ von Tom Waits.

Unverwechselbar bleibt ihre Stimme. Rau. Leidenschaftlich. Und doch sanft. Ihre Version von „Junimond“ von Rio Reiser berührt, ihr musikalisches Denkmal an einen viel zu früh verstorbenen Künstler, mit dem sie eng befreundet war.

Am Ende eilte sie aus der Garderobe ins Foyer, verkauft ihr Live-Album. Ein Abstieg? Nein, im Gegenteil. Sie ist sich selbst treu geblieben, mehr geht nicht. Sie macht ihr Ding, wie Udo Lindenberg sagen würde, dessen Hamburger Büro sie mit Anfang 20 leitete. Eine Kapitänin, unbeirrt unterwegs auf ihrem Kurs.