Hamburg. Der Schlagwerker begeistert im Großen Saal der Elbphilharmonie. Kaum zu fassen, dass das Karriereende bevorsteht.

Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören. Oder, um es mit dem Salzburger Martin Grubinger zu formulieren: „Es macht ja Spaß, und dann sollt‘ man’s zum richtigen Moment lassen.“ Kaum zu glauben, dass dieser vor Energie sprühende Publikumsliebling zum Ende der Saison mit gerade einmal 40 Jahren seine beispiellose Karriere als Perkussionist beenden wird. Bis dahin allerdings lässt er es nochmal richtig krachen.

Auf der Bühne des Großen Saals der Elbphilharmonie ist ein wahrer Dschungel an Schlaginstrumenten aufgebaut, den er mit vier weiteren Schlagwerkern bespielt, sekundiert von dem Pianisten Per Rundberg. Vom Gong in Untertassenformat übers Drumset bis zur Großen Trommel, vom Mini-Glockenspiel bis zum Marimbafon ist alles dabei.

Elbphilharmonie: Auch Schlagzeugstücke können leise Stellen haben

Bei „Okho“ von Iannis Xenakis müssen sich Künstler und Publikum noch ein wenig finden. Zu dritt begeben sie sich auf eine Forschungsreise in die Welt des Rhythmus. Die hat nichts Akademisches an sich, sondern entwickelt einen eigenen Groove. Nur dass das Publikum mehrfach hineinklatscht. Es dauert ein wenig, bis alle verstanden haben, dass auch ein Schlagzeugstück leise, spannungsvolle Stellen haben kann.

Einen Abend, an dem das einzige Melodieinstrument – das Klavier – eher unterstützende Funktion hat, abwechslungsreich zu gestalten, ist eine Herausforderung. Kein Problem für Grubinger. Der erzählt davon, wie er und seine Kollegen mit Auftragswerken erst einmal ein Repertoire schaffen müssen. Wie etwa mit „Inferno“ von dem Isländer Daníel Bjarnason. Ursprünglich für Schlagzeug und großes Orchester vorgesehen, spielen sie an diesem Abend sozusagen die Kammerfassung des ausgedehnten Werks. Und entfalten dabei einen überwältigenden Klang- und Assoziationsreichtum.

Elbphilharmonie: Schlachtengetümmel und Raum zum Träumen

Natürlich geht es in einem Percussion-Stück oft laut zu. Aber es gibt auch die Momente, in denen man einfach nur fasziniert ist von Naturstimmungen oder in denen der Tausendsassa Marimbafon mit seiner Melodik alle Schwerkraft, alles Vertikale vergessen macht. Den Kontrast bildet dann das konzentrierte „Drumming“ von Steve Reich mit vier Kollegen an acht Bongos. „Sieidi“ von Kalevi Aho wiederum klingt mal nach Schlachtengetümmel und gibt dann Klavier und Marimbafon Raum zum Träumen.

Schlagwerkern bei der Arbeit zuzusehen, hat auch etwas von einer Choreografie. Klang entsteht durch körperliche Durchlässigkeit, Zusammenspiel gelingt nur durch gegenseitiges Vertrauen. All das kann man sehen.

Elbphilharmonie: Zum Schluss ein atembraubender Trommelwirbel

Nachdem die sechs mit „Number of Fate“ aus der Feder von Grubingers Vater der teuflischen Zahl Sieben die Ehre erwiesen haben, gestattet der Primus inter pares seinem Publikum noch einmal einen Blick in die Werkstatt. Als Zugabe spielt er eine Übung, wie sie jedem Schlagzeugschüler bekannt sein dürfte: die Mühle. Sie beginnt ganz langsam und gleichmäßig und steigert sich zu einem atemberaubenden Trommelwirbel, gewürzt mit allerhand akrobatischen Einlagen. „Halten Sie mit dem Handy einfach drauf“, ermuntert er die Fans. Großes Gelächter im Publikum. Wenn es doch so einfach wäre.