Hamburg. Umjubeltes Reflektor-Festival von und mit Sängerin Angélique Kidjo. Das Publikum tanzte und sang in den Sitzreihen.

In pinkfarbenem Hosenanzug mit strass-glitzernden High Heels tänzelt Angélique Kidjo in den Großen Saal der Elbphilharmonie. Und ein Schub geht durch das ohnehin schon energiegeladene Publikum. Die kapverdische Sängerin Lura hat zu diesem Zeitpunkt bereits eindrucksvoll gezeigt, wie sich afrikanische und karibische Klänge hoch rhythmisch mit Soul und Pop fusionieren lassen.

Luras Stolz und ihre Haltung, ihr Gespür für Tradition und ihr humanistischer Blick in die Zukunft haben da bereits den gesamten Raum charismatisch ausgefüllt. Und dann kommt als Gast ihre „Queen“ auf die Bühne. Ihre Königin. Ihr Idol.

Angélique Kidjo kuratiert Reflektor-Festival in der Elbphilharmonie

Für mehrere Tage hat die große Sängerin und Aktivistin Angélique Kidjo das Reflektor-Festival in der Elbphilharmonie kuratiert. Mit ihren 62 Jahren hat die in Benin geborene Künstlerin reichlich Erfahrungen und Stile aufgesogen. Und in Hamburg entlädt sie diesen Schatz in einem anspruchsvollen wie lebensbejahenden Programm, das vor allem stark weiblich geprägt ist. Was für ein Geschenk!

Zeigt Kidjos Reflektor-Festival doch, dass das Konzerthaus im Hafen tatsächlich das Tor zur Welt sein und eine wunderbar gemischte Stadtgesellschaft ansprechen kann.

Botschaften,dunkel-flehend oder in einer mitreißenden Party

Als die Grande Dame gemeinsam mit der 15 Jahre jüngeren Lura von Verbundenheit und Diversität singt, erhebt sich die Menge blitzschnell von den Sitzen, klatschend und jubelnd. Wie die beiden zusammen tanzen, wie sie miteinander schäkern und sich innig umarmen, ist nicht nur rührend und euphorisierend. Es zeigt im Kleinen, was Kidjo im Großen mit dem Festival bezweckt: eine künstlerische Allianz präsentieren, die auf Solidarität basiert.

Und auf bedingungsloser Hingabe zur Musik. Lura, die in einer Kreolsprache aus Portugiesisch und afrikanischen Dialekten singt, plädiert für gegenseitige Akzeptanz, gerade bei all den Unterschieden zwischen den Menschen. Klare Botschaften, die sie mal dunkel-flehend verkündet, mal in einer mitreißenden Party entfesselt. Im lässigen Midtempo wiederum singt sie im Wechsel mit dem Publikum ihren Hit „Na Ri Na“.

Während dieser Festival-Tage lerne sie unglaublich viel, erzählt Lura. Der Austausch mit den anderen Kreativen sei ungemein wichtig. Etwa mit der ivorischen Sängerin Dobet Gnahoré, mit der marokkanischen Singer-Songwriterin Oum oder mit dem senegalesischen Musiker Ablaye Cissoko. Und mit der in New York lebenden Sängerin Somi.

Somi verneigt sich mit ihrer Musik vor Miriam Makeba

Somi, deren Eltern aus Ruanda und Uganda in die USA eingewandert waren, verneigt sich mit ihrem Konzert vor der Pionierin der afrikanischen Musik, vor Miriam Makeba (1932-2008). Und Somi bettet diese grandiose Hommage in ihre persönliche Klangsprache ein, in den Jazz. Gemeinsam mit ihrer feinsinnig aufspielenden Band transformiert sie etwa den schwungvollen Überhit „Pata Pata“ zu einer langsam gedehnten Version, die jedes Wort tief empfunden zelebriert.

Zu Beginn kommt Somi aber zunächst einmal mit wedelnden Händen auf die Bühne (zudem barfuß in pink-farbener Robe) – als wolle sie sich die gute Energie im Saal zufächeln. „Was für eine Ehre, den Spirit von Miriam Makeba an diesen Ort einzuladen und die große gemeinsame Schwesternschaft zu feiern“, sagt die Sängerin.

Mit ihrer Stimme scheint sie die Höhen und Tiefen von Makebas Leben zwischen Exil, Heimatsuche und Erfolgen höchst wahrhaftig zu erkunden. Sie fühlt sich unter anderem in die Performance hinein, die Makeba in dem Anti-Apartheidsfilm „Come back, Africa“ gab. Ein Auftritt, der Makebas globale Bekanntheit Ende der 1950er-Jahre befeuerte.

Somi lässt in ihr Set aber auch eigene Kompositionen einfließen, etwa „Like Dakar“ von ihrem Album „Petite Afrique“, einer Liebeserklärung an ihre langjährige Heimat Harlem. Mit großer Intensität besingt sie ihre Traurigkeit über die Verdrängungsmechanismen in dem stark gentrifizierten Viertel.

Weltumspannende Geschichten, Gedanken und Gefühle

Solche weltumspannenden Geschichten, Gedanken und Gefühle prägen Kidjos Reflektor-Festival immer wieder. Stetig neue Verbindungen entstehen. Und Kidjo selbst steuert freudvoll zu diesem Referenzkosmos bei.

Mit dem französisch-libanesischen Trompeter Ibrahim Maalouf und der Hamburger Camerata erforscht sie im Orchesterformat die biblische Erzählung der Königin von Saba. Zu einem intimen Format wiederum findet sie mit dem französischen Pianisten Alexandre Tharaud zusammen: Die beiden interpretieren Liebeschansons von Gainsbourg bis Piaf.

Zu der reduzierten wie empathischen Klavierbegleitung kann ihre Stimme in allen Nuancen strahlen. Melancholisch, lässig, dramatisch, sehnsuchtsvoll. Und mit dem Barbara-Lied „Göttingen“ versucht sie sich sogar mit viel Charme erstmals am Gesang auf Deutsch. Von Herzen bedankt sich Angélique Kidjo für die besondere Zeit in der Elbphilharmonie: „Ich möchte diesen Ort überall, wohin ich gehe, mitnehmen.“