Hamburg. Mit einer Tondatei geht es auf einen Spaziergang durch weibliche Geschichte. Dabei verbinden sich Erzählungen mit Straßen im Viertel.

Es ist kalt. Und es ist feucht. Vielleicht ist ein Audiowalk Mitte März nicht die beste Idee, im Schneeregen, am Freitagabend. Andererseits: Vielleicht ist es im Gegenteil eine wirklich gute Idee, sich auf Wind und Wetter so richtig einzulassen. Aber kalt ist es wirklich, bei „F_R_Iction In The Space Be_Tween“, „Reibung im Zwischenraum“, einem performativen Spaziergang durch die Neue Mitte Altona, den Janis Jirotka und Linda Jiayun Gao-Lenders fürs Lichthof Theater eingerichtet haben.

Man bekommt eine Tüte, gefüllt mit gesalzenen Nüssen und einem Stadtplan, der grob den Weg weist, erst nach Norden durch das Neubaugebiet, dann sich auf der Gleiswiese verlierend, schließlich durch den Altbaubestand Richtung Fux-Kaserne. Und man scannt mit dem Smartphone einen QR-Code, der auf eine Tondatei verweist, mittels derer man durch die Geschichte geleitet wird. Und zwar wörtlich: Es geht durch die Geschichte weiblicher Selbstermächtigung, durch Kolonialismus, durch queeres Schreiben.

Audiowalk: Erzählungen verbinden sich mit Straßen im Viertel

Sanfte Stimmen berichten von der Schweizer Journalistin, Fotografin und Autorin Annemarie Schwarzenbach (1908-1942), die Anfang des vergangenen Jahrhunderts mehrere Reisen nach Persien unternahm, von der türkisch-deutschen Lyrikerin Semra Ertan, die sich 1982 in Hamburg aus Protest gegen die zunehmende Ausländerfeindlichkeit in der Bundesrepublik selbst verbrannte, von der britisch-australischen Feministin Sarah Ahmed.

Und wie von selbst verbinden sich diese Erzählungen mit den Straßen im Viertel, die mehrheitlich nach Frauen benannt sind – vom Platz der Arbeiterinnen geht es durch die Felicitas-Kukuck-Straße (deutsch-jüdische Komponistin, 1914-2001) und die Emma-Poel-Straße (Sozialreformerin, 1811-1891), und es ist klug inszeniert, wie sich die Tonspur hier mit dem Weg verschränkt.

Audiowalk: Sanft aber mit Nachdruck in die richtige Richtung gelotst

„F_R_Iction In The Space Be_Tween“ lässt dem Besucher dabei einiges an Freiheiten. Zwar gibt es immer wieder kurze Anweisungen, etwa, stehenzubleiben oder die Augen zu schließen, aber es schadet auch nicht, wenn man diese ignoriert. In ihrem minimalistischen, nahe an der Literatur gearbeiteten Konzept lehnen sich Jirotka und Gao-Lenders an die in oft Hamburg uraufgeführten Radioballette der Gruppe Ligna an, weniger an ausgefeilte Stadtrauminszenierungen. Und vielleicht ist die Gruppe, mit der man spaziert, hier sogar ein bisschen störend, vielleicht könnte man sich noch besser auf das assoziative Umherschweifen des Stücks einlassen, wenn man alleine unterwegs wäre und nicht im Augenwinkel darauf achten würde, was die anderen machen.

Obwohl: Dass man sanft aber mit Nachdruck in die richtige Richtung gelotst wird, hat auch seine Qualität. Die Tonspur kann sich so nämlich auf die Inhalte konzentrieren und muss einem nicht auch noch den Weg weisen. Die einstündige Tour jedenfalls erweist sich so als gewinnbringendes Flanieren zwischen weiblicher Geschichte und weiblich bezeichnetem Stadtraum. Wenn es nur nicht so kalt wäre.

F_R_Iction In The Space Be_Tween Wieder am 11. März, 18 Uhr, 12. März, 14 und 18 Uhr, Start: Platz der Arbeiterinnen, Tickets über www.lichthof-theater.de