Hamburg. Im Malersaal des Deutschen Schauspielhauses geht Ute Hannig in einer genialen Doppelrolle mit zwei Wesen auf Identitätssuche.

Es sieht einladend aus, das Leben der namenlosen Frau. Auf einem prachtvollen Rundbett wacht sie wie immer neben ihrem Ehemann auf, zum Idyll gehören ein schöner Garten mit fein gestutztem Rasen und zwei flauschige Hunde. Doch wer wollte nicht sein Leben manchmal gegen ein anderes eintauschen? Und als sie des Nachts auf der Suche nach einer „Erkundung“ unruhig im Mondlicht wandelt, begegnet sie einer Doppelgängerin, die sie, schwupps, unter die Erde verbannt und ihren Platz einnimmt.

Die Kurzgeschichte „The Mushroom Queen“ der US-amerikanischen Autorin Liz Ziemska scheint auf den ersten Blick alles andere als ein griffiger Theaterstoff zu sein. Doch was die junge Regisseurin Marie Schleef daraus im Malersaal des Schauspielhauses zaubert, ist eine ästhetisch höchst eigenwillige, fast wortlose Kunst-Installation. Alles läuft über Mimik und eine sehr präzise entschleunigte Bewegungs-Choreografie.

Malersaal des Deutschen Schauspielhauses: Horror, Akkuratesse und Ästhetik

Während die unglückliche Frau nun am anderen Ende des Kontinents unter der Erde landet und eine toll gefilmte Pilz-Transformation erfährt (Videoanimation: Seongji Jang), nimmt ihre Doppelgängerin – beide werden von der mit großer Akkuratesse agierenden Ute Hannig gegeben – die Mushroom Queen ihren Platz ein. Schon lange suchte auch sie eine andere Existenz, eine, in der sie echte Liebe erfahren kann.

Markus John als etwas tumber Ehemann bemerkt kaum einen Unterschied. Auch. wenn seine Frau plötzlich würgt, saugt und sich eher nach Kompost als nach Brie verzehrt. Von den beiden wunderbar aufgemachten Hunden (Kostüme: Ji Hyung Nam) begreift immerhin der kleinere, mit einer Menschenseele ausgestattete und von Sachiko Hara gespielte, dass etwas nicht stimmt. Im Zusammenspiel mit Maximilian Scheidt als großem Hund ergeben sich wunderbar komische Momente.

Horrormärchen unter der durchästhetisierten Oberfläche

Doch unter der durchästhetisierten Oberfläche dieser toll gestalteten Welt (Bühne: Lina Oanh Nguyen) lauert alsbald ein Horrormärchen. Marie Schleef beherrscht ihre Mittel aus Spiel, Film, Video und Musik mit sicherer Hand, vor allem aber schafft sie in der tiefen Durchdringung der unbewussten Sehnsüchte der Frau wie auch des Pilz-Wesens ein Gesamtkunstwerk.

Es ist auch ein an wissenschaftlichen Erkenntnissen reicher Abend über die Überlebensfähigkeit dieser kleinen Pilz-Wunderwerke, deren Netzwerk eine Grundlage des Lebens schafft – und die sich mitunter von den Altlasten des Zwischenmenschlichen ernähren.

„The Mushroom Queen“ weitere Vorstellungen 27.2., 19.30 Uhr, 28.2., 19.30 Uhr, 8.3., 20 Uhr, 23.3., 20 Uhr, 25.3., 20 Uhr, Malersaal im Schauspielhaus (U/S Hauptbahnhof), Kirchenallee 39, Karten unter T. 24 87 13; www.schauspielhaus.de