Hamburg. Der Gründer von The Velvet Underground spielte auf Kampnagel Songs von 1970 bis heute und beweist: Alter ist nur eine Zahl.
80 ist das neue 60. Ein Satz, der John Cale zutreffend beschreibt. Der Sänger und Multiinstrumentalist – er spielt Geige, Gitarre und Keyboards – hat seit seiner New Yorker Zeit als Mitglied von The Velvet Underground in den 1960er-Jahren die populäre Musik entscheidend mit beeinflusst. Nun steht er mit seiner Band in bei Kampnagel auf der Bühne und spielt ein Programm, das von seinem ersten Solowerk 1970 bis zu seinem aktuellen Album „Mercy“ reicht.
Seine grauen Haare stehen etwas wild ab, sein schwarzes Outfit mit silbrig glänzenden Sneakers gibt ihm schon äußerlich eine coole Aura. Und dann ist da seine unverwechselbare Stimme, ein Bariton, der zwischen aggressiv-kraftvoll zu melancholisch wechselt. Das Alter ist Cale nicht anzumerken, konzentriert und lässig spielt er ein Programm aus den wichtigsten Phasen seines abwechslungsreichen Schaffens.
John Cale live auf Kampnagel: Von Neuer Musik bis zu sentimentalen Popsongs
Mit „Mercy“ hat er gerade eine Platte herausgebracht, auf der er mit jungen Elektro-Künstlern zusammenarbeitet. Vier Songs daraus haben es ins Live-Programm geschafft, auch „Moonstruck (Nico’s Song)“, eine Aussöhnung mit Nico, deren Alben er produziert hat. Auf einem Bildschirm flimmern während des ganzen Konzerts psychedelisch anmutende Bilder und Grafiken, bei „Moonstruck“ sind es Aufnahmen des jungen John Cale und der deutschen Sängerin, die zum Andy-Warhol-Umfeld gehörte.
Obwohl viele Songs aus den 1970er- und 80er-Jahren stammen, klingt John Cale modern. Vielleicht, weil er seiner Zeit schon immer ein Stück voraus war. „Half Past France“, vor 50 Jahren auf „Paris 1919“ herausgekommen, ist mit dem dröhnenden Keyboard-Sound ein Beispiel für Cales Radikalität.
Ein Zugabe, die noch mal zu einem Höhepunkt wird
Seine Musik lässt sich nicht in Schubladen pressen. Der Waliser verfügt über eine Bandbreite, die von Neuer Musik bis zu sentimentalen Popsongs reicht. „Chinese Envoy“ aus dem Jahr 1982 zum Beispiel ist eine extrem zarte Ballade, und auch das neue „Out Of Window“ besitzt eine tiefe Melancholie. Aber Cale konnte auf der Bühne auch immer den Berserker geben. Das deutet er an, wenn er sich von seinem Stuhl hinter den Keyboards erhebt und eine Gitarre umhängt. „Helen Of Troy“ interpretiert er viel brachialer als auf dem gleichnamigen Album.
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Zu einem Höhepunkt des fast zweistündigen Konzerts wird die Zugabe. Während seiner Tournee hat Cale meistens Elvis Presleys „Heartbreak Hotel“ gespielt, in Hamburg entscheidet er sich für „Pablo Picasso“. Eine Parallelität zwischen den Künstlern Cale und Picasso ist in Hinblick auf ihre Schaffenskraft offensichtlich: Der spanische Maler wurde sogar 91 Jahre alt. Da bleiben Cale noch ein paar Jahre.