Hamburg. Der Pianist Francesco Tristano kam mit alter Musik und tagesaktuellen Beats. Das war mal ganz schön, aber auch etwas schade.

Mehrere Konzerte in einem, ästhetisch komplett unterschiedlich? Kein schlechter Deal, eigentlich, wären da nicht die qualitativen Unterschiede. Der Pianist Francesco Tristano liebt Programm-Manöver, die von Konventionen Abstand halten. Sein Solo-Abend im Kleinen Saal der Elbphilharmonie zog ein extrem gemischtes Publikum an, von sehr jung bis eindeutig alt, genau die Mischung, die Konzertveranstalter auf der Suche nach Vollauslastung gerade noch mehr lieben als ohnehin.

Ihnen stellte Tristano sein letztes Konzeptalbum „On Early Music“ vor, ein rasantes Rein und Raus in die Musikgeschichte: Einerseits verspielt Frühbarockes von Gibbons oder Frescobaldi, andererseits Eigenes, das mit diesen Stilmitteln jonglierte und als Abschluss: Party mit satten Beats und Loops, über die Tristano am stark verstärkten, noch stärker verfremdeten Flügel seine Phrasen spielte. Stroboskop-Scheinwerfer sollten dem bestuhlten Raum Club-Aroma verleihen, was aber schon wegen der besetzten Stuhlreihen eher bedingt gelang.

Piano-Konzert in der Elbphilharmonie überzeugte nicht vollends

Der „klassische“ Teil dieses Dreierpacks war nur leider der unbefriedigendste. Bei aller Begeisterung Tristanos für die Größen aus der Zeitalter kurz nach Elisabeth I. und Shakespeare – derart spröde, unsinnlich und stilschwach sollte man diese filigranen Meisterwerke nicht abliefern; das war historisch durchaus interessiert, aber nicht wirklich informiert und wirkte unnötig vorvorgestriger als die Noten. Wie und dass es gehen kann, hatte der ästhetisch ganz anders gepolte Kit Armstrong, ebenfalls mit einem Flügel, auf eben dieser Bühne bewiesen.

Vermutlich störte dieses Niveau-Defizit aber niemanden in den Publikumsreihen allzu sehr. Die Originale aus der fernen Vergangenheit morphte Tristano ins Hier und Jetzt, auf einer großen Leinwand ging dazu, sehr sonnig, sehr langsam, die Sonne über einem brasilianischen Strand auf. Zu diesem Bildschirmschoner-Idyll verlor sich Tristano in Achtsamkeits-Fantasieren, bei dem eine halbe Idee minutenlang in vier Akkorden versinkt. Austauschbare, entbehrliche Hafermilch-Neoklassik, Klang-Tapete vor Video-Tapete. Auch mal ganz schön, das alles. Aber auch schade.

Aufnahmen: Francesco Tristano „On Early Music“ (Sony Classical, CD ca. 13 Euro). Kit Armstrong „William Byrd & John Bull: The Visionaries of Piano Music” (DG, CD ca. 19 Euro)