Hamburg. Spektakulärer Auftritt des Südkoreaners im Rahmen der ProArte-Meisterpianisten-Reihe. Am Schluss gab es Standing Ovations.
Bei manchen Künstlerinnen und Künstlern weiß man nach wenigen Sekunden: Da ist jemand, der hat einfach etwas zu sagen. Seong-Jin Cho, 28 Jahre jung, Pianist aus Korea mit Wahlheimat Berlin, ist so einer. Spätestens seit 2015, als er den Chopin-Wettbewerb in Warschau gewann, staunt die Musikwelt über ihn. Das Gelb-Label Deutsche Grammophon nahm ihn gleich unter Vertrag, Konzertveranstalter rund um den Globus reißen sich um ihn. Und die Laeiszhalle ist am Mittwoch bei seinem Gastspiel im Rahmen der ProArte-Meisterpianisten-Reihe sehr gut gefüllt.
Schon in früheren Konzerten oder auf seinen Alben hat Cho seinen Sinn für ebenso spannende wie intelligente Programme bewiesen. Dieses exquisite Recital mit Händel, Gubaidulina, Brahms und Schumann hat klar die Überschrift „Variation“. Die Händel-Suite E-Dur HWV 430 endet mit den quirlig-brillierenden „Grobschmidt-Variationen“, Sofia Gubaidulina knüpft mit ihrer sperrigen Chaconna an barocke Vorbilder an, genauso machte es Brahms bei seinen berühmten Händel-Variationen, und Schumanns „Symphonische Etüden“ folgen ebenfalls diesem Kompositionsprinzip.
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Laeiszhalle: Seong-Jin Cho setzt auf Klang und Durchsichtigkeit
Nicht viele Pianisten widmen sich den vermeintlich zu leichten Händel-Suiten, aber Cho spürt den Feinheiten dieser Musik nach. Er spielt fast ohne Pedal und erreicht eine wunderbare Klarheit der Stimmen im polyphonen Geflecht. Das Thema beim finalen Variationensatz nimmt er ziemlich schnell, und dennoch perlen die 32-stel-Kaskaden in der letzten Variation leicht, locker, ohne Anstrengung. In Gubaidulinas Chaconne legt Cho berstende Energie in wuchtige Fortissimo-Akkorde, überzeichnet aber nie, und die extremen Pianissimo-Stellen bleiben immer spannungsvoll. Das setzt sich in den Brahms‘ Händel-Variationen und bei Schumann fort. Beide Werke haben wahrhaft sinfonische Längen, Brahms mit knapp 30, Schumann mit 40 Minuten.
Auch das barocke Thema der Händel-Variationen stellt Cho recht zügig und schnörkellos vor. Ohnehin interessiert ihn Pathos nicht. In den 25 Variationen und der gewichtigen Schlussfuge zeigt er sich einmal mehr mit unglaublicher Fantasie für Farben und Anschlagsnuancen, von sphärischen Glöckchen bis zu markigen Bässen. Aber Cho setzt immer auf Klang und Durchsichtigkeit. Klug auch, im zweiten Teil Schumanns „Symphonischen Etüden“ vier Brahms-Klavierstücke aus Op. 76 voranzustellen, denn Brahms bezieht sich auf schumansche Techniken. Und Schumanns gewichtige, auch komplexe Variationen, hört man selten so differenziert, plastisch und vor allem mit so viel Freude. Standing Ovations!