Hamburg. Spannung pur: Das Ensemble Resonanz sorgt beim Visions-Festival für eine Reise voller Überraschungen.
„Ein Abenteuer für das Gehör“, verspricht Tobias Rempe dem Publikum in der Elbphilharmonie, und sein Ensemble Resonanz löst diese Ankündigung in den folgenden 30 Minuten mit Bravour ein. 48 Streicher sitzen im Großen Saal der Elbphilharmonie und haben die komplexe Partitur von Helmut Lachenmanns Komposition „Double / Grido II“ vor sich. Sein drittes Streichquartett hat der Komponist 2004 orchestriert und etwas komplett Neues geschaffen.
Wenn die Besucher die Augen schließen und sich in diese Klangwelten fallen lassen, erleben sie eine Reise voller Überraschungen. Hinter jeder Kurve, die das Orchester nimmt, eröffnet sich ein Klangkaleidoskop. Dunkel und zart, laut anschwellend, kratzend, gleichförmig dröhnend wie ein Flugzeugmotor, hingetupft, eruptiv. Nichts ist erwartbar, alles ist möglich.
Elbphilharmonie: Akustik macht "tonloses Hauchen" hörbar
Lachenmann befreit die Klänge. Er hat im Laufe seines langen Schaffens eine Vielzahl neuer Spieltechniken entwickelt, die Umsetzung fordert von Dirigent Bas Wiegers, Konzertmeisterin Barbara Bultmann und dem ganzen Ensemble eine hochkonzentrierte Leistung. Es gibt Passagen im „Grido“, die fast unhörbar sind, weil die Saiten der Violinen zugehalten werden und die Bogen nur ein leises Rauschen erzeugen.
Kurze scharfe Töne reißen die kaum hörbaren Klangflächen auf. Es bedarf eines Saales wie der Elbphilharmonie mit seiner überragenden Akustik, um solches „tonloses Hauchen“ überhaupt hörbar zu machen. Das Publikum ist mucksmäuschen still und lauscht gespannt, kein Husten stört die Reise in diesen tonalen Kosmos. Die Spannung überträgt sich auf die Zuhörer im Saal. Als der letzte Ton verklungen ist, werden Dirigent und Ensemble gefeiert.
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Elbphilharmonie: Abenteuer auf einer Expedition ins Unbekannte
Lachenmanns selten aufgeführtes Werk ist der Höhepunkt des Abends, zuvor erlebten die Zuhörer noch zwei weitere Werke zeitgenössischer Musik im Rahmen des „Visions“-Festivals, das noch bis zum 12. Februar in der Elbphilharmonie läuft. Den umgekehrten Weg nimmt Johannes Maria Staud mit „Im Lichte II“. Ursprünglich für zwei Klaviere und Orchester komponiert, reduziert Staud die aktuelle Fassung auf zwei Klaviere, die wie ein einziges Instrument behandelt werden sollen.
Das GrauSchumacher Piano Duo verblüfft mit Virtuosität und Schnelligkeit, und auch die Schwierigkeit, die komplexen Notenkaskaden gleichzeitig zu bewältigen, meistern die beiden Perfektionisten mit spielerischer Leichtigkeit. Ein „work in progress“ ist Isabel Mundrys „Signaturen für zwei Klaviere, Schlagzeug und Streicher“, das vom Ensemble Resonanz, GrauSchumacher und dem Schlagzeuger Dirk Rothbrust in jedes Mal geänderter Form aufgeführt wird. Auch Mundrys Werk bietet einige überraschende Wendungen, wirkt jedoch unfertig.
Insgesamt gilt: Zeitgenössische Musik ist für viele Ohren ungewohnt, sie ist eine Expedition ins Unbekannte und ein Verlassen des geschützten musikalischen Alltags. Ein Abenteuer eben.
„Visions“-Festival bis 12.2., Infos und Karten: elbphilharmonie.de