Hamburg. Der Isländer sprang für erkrankte Pianistin ein. Mit dem Orchestra dell’Academia Nazionale di Santa Cecilia lieferte er Weltklasse.
Was für ein Glück, dass der isländische Pianist Víkingur Ólaffson in diesem Jahr nicht an den sogenannten Dark Music Days seiner Heimatstadt Reykjavik teilgenommen hat, die gerade erst am Sonntag zu Ende gegangen waren.
Dann wäre er womöglich nicht so spontan für die erkrankte Martha Argerich beim ProArte-Konzert mit dem Orchestra dell’Academia Nazionale di Santa Cecilia unter Sir Antonio Pappanos Leitung in der Elbphilharmonie eingesprungen, denn das von isländischen Musikern fast ausschließlich mit isländischer Musik bestückte Festival zur dunklen Jahreszeit ist für jeden Isländer eigentlich eine Ehrensache.
Ólaffson statt Argerich in der Elbphilharmonie – ein unvergessliches Konzerterlebnis
Dafür konnte sich das Publikum des ProArte-Konzerts nun am Dienstag über ein wahrhaft unvergessliches Konzerterlebnis mit diesem Ausnahmetalent in Hamburg freuen. Und welchen Respekt Pappano dem 38 Jahre alten Weltstar entgegenbrachte, zeigte sich schon allein daran, dass er beim gemeinsamen Auftritt erstmal nach hinten abbog, sich seinen Weg zum Podest durch die Streicher schlug und Ólaffson allein an der Rampe den großen Applaus entgegennehmen ließ.
Es war wunderbar, mit welch äußerlicher Ruhe, aber hochgespannter Energie und Virtuosität Ólafsson dem Solopart von Ravels Klavierkonzert G-Dur aus dem Jahr 1931 begegnete. Das von Jazzanleihen durchdrungene Werk voll bizarrer Rhythmen und mitreißender Instrumentierungskunst im Orchester bot eine Überraschung nach der anderen.
Ólaffson in der Elbphilharmonie: Technische Perfektion war phänomenal
Mal spielten Pappano und Ólafsson mit aparten Klangmischungen, wenn etwa eine Piccoloflöte in der ungewohnt tiefen Lage die mit Hilfe des Pedals lange ausgehaltenen Klavierakkorde begleitete oder wenn der Pianist mit fast nur gehauchten Harfensoli in einen Dialog trat. Die Noblesse seiner musikalischen Gestaltung und die technische Perfektion dieses Pianisten waren phänomenal.
Auf Deutsch moderierte er nach dem Klavierkonzert dann als Zugabe eine eigene Bearbeitung des Kopfsatzes der 3. Violinsonate von „Johnny Sebastian Bach“ an, wie er sagte, und sang das Thema dieses getragenen Satzes förmlich auf den Tasten.
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Elbphilharmonie: Packende Aufführung von Sibelius’ Sinfonie Nr. 5
Eingeleitet wurde der Abend von Sergej Prokofjews Sinfonie Nr. 1 „Symphonie classique“, die Pappano und seine Accademia di Santa Cecilia mit harten Tuttischlägen, satten Fortissimos und enorm hohen Tempi in den schnellen Sätzen ausstatteten. Pappano hüpfte regelrecht auf dem Podest bei den ersten Takten der Gavotta und arbeitete ganz bewusst die Schärfen des Prokofjew-Klangs heraus, die eigentlich für spätere Werke dieses Komponisten charakteristisch sind und hier zu einer wahren Explosion von Steigerungen führten.
Eine packende Aufführung von Jean Sibelius’ Sinfonie Nr. 5 op. 82 beschloss den Abend. Und es war wunderbar, wie sich aus der zitternden Unruhe der Streicher-Tremolos im Finale das markante Thema der vier Hörner erhob, aus dem sich, immer wieder gestört hektischen Holzbläsereinwürfen, die große sinfonische Hymne des Endes entwickelte.