Hamburg. „The Pride“ erzählt von Sexsucht und verdrängten Gefühlen. Die Sprache ist sehr direkt, das Premierenpublikum war begeistert.

Wirklich sympathisch scheinen sie sich nicht zu sein. Als Oliver (Daniel Cane) zum ersten Mal seine Arbeitskollegin Sylvia (Lisa O’Connor) und ihren Mann Philip (Mat Betteridge) besucht, ist dieser sehr höflich dem aufgedrehten Gast gegenüber, doch seine Reserviertheit ist offensichtlich und er geizt auch nicht mit spitzen Kommentaren, um Olivers Redefluss etwas zu stoppen. Sylvia dagegen ist hingerissen von dem Kollegen, an dessen Lippen sie hängt.

"The Pride": Unterwerfungsspiele mit einem Mann in Nazi-Uniform

So konventionell Alexi Kaye Campbells Drama „The Pride“ im English Theatre beginnt, so krass geht es in der nächsten Szene weiter. Oliver kriecht halbnackt durch sein Apartment und treibt Unterwerfungsspiele mit einem Mann in Nazi-Uniform (Matt Hastings). Als der ihn auffordert, seine Stiefel abzulecken, bricht Oliver das Spiel ab. Es klingelt an der Tür, Oliver reagiert panisch und fordert den Sex-Partner auf, sofort zu verschwinden. „You have to pay me first“ („Du musst mich erst bezahlen“), antwortet der ungerührt. Als anschließend Philip in die Wohnung stürmt, wird klar, dass Oliver und er eine homosexuelle Beziehung haben.

In seiner Inszenierung von Campbells Stück lotet Regisseur Paul Glaser mit exzellenten Schauspielern aus, wie viel Mut dazu gehört, sich zu seiner Persönlichkeit und zu seinen sexuellen Präferenzen zu bekennen. Das betrifft vor allem Philip, der gegenüber einem Arzt zugibt, bereits als 13-Jähriger sexuelle Fantasien über einen gleichaltrigen Jungen gehabt zu haben.

Philips Beziehung zu Oliver ist ein Hin und Her voller Eifersucht und Vorwürfe

Mat Betteridge spielt diesen Philip als einen Mann, der versucht, die Kontrolle über seine Gefühle zu behalten und gesellschaftliche Normen nicht zu verletzen. Seine Beziehung zu Oliver ist ein Hin und Her voller Eifersucht und Vorwürfe. Seine Verzweiflung zeigt sich in einer Szene, als er endgültig mit Oliver Schluss machen will, ihn aber dann vergewaltigt. Ein Mann, der nicht aus seiner Haut kann und der mit allen Mitteln gegen seine Homosexualität angeht.

Obwohl Oliver mit seinem Schwulsein locker und offen umgeht, treibt ihn etwas um. Er ist unablässig auf der Suche nach Affären, seine Sexsucht ist für Philip unerträglich, der ihn dann auch verlässt. Daniel Cane spielt den Oliver als einen eloquenten und hedonistischen Sonnyboy, er träumt von „big dicks“, aber er reflektiert auch seine Sucht, die ein Ausdruck seiner Einsamkeit ist. Cane offenbart die Widersprüche seiner Figur, er leidet an seiner unstillbaren Sucht, doch eine monogame Beziehung bekommt er beim besten Willen nicht hin.

"The Pride": Anspruchsvolles Stück mit Achterbahn der Gefühle

Das aufwändige Casting von Paul Glaser in London – es gab 600 Bewerbungen – hat sich gelohnt, denn auch Lisa O’Connor und Matt Hastings (gleich in drei Rollen) stehen ihren beiden Kollegen in der Präzision des Spiels nicht nach. Im English Theatre ist ein Ensemble auf der Bühne, das bei diesem anspruchsvollen Stück mit seiner Achterbahn der Gefühle perfekt harmoniert.

The Pride“ ist in den Dialogen über Sexpraktiken sehr deutlich, es wird nicht um den heißen Brei geredet. Amüsant ist eine Szene mit Cane und Hastings, in der es darum geht, ein schwules Magazin auf den Markt zu bringen, dass alle Männer toll finden: „Gay is cool!“ Nach zweieinhalb spannenden Stunden feiert das Premierenpublikum Schauspieler und Regisseur gleichermaßen.

„The Pride“ läuft bis 25.3., English Theatre, Lerchenfeld 14, Karten unter T. 227 7089, www.englishtheatre.de