Hamburg. Die spanische Künstlerin spielte in der Elbphilharmonie traumwandlerisch sicher – zeigte sich jedoch eher zurückhaltend.
Das zweite Festivalkonzert bestätigte den Eindruck des ersten: dass die Erwartungen, die der Titel „Rising Stars“ weckt, eher übererfüllt werden. Wie schon das Aris Quartett am Vorabend, ist auch Cristina Gómez Godoy kein Talent mehr, sondern künstlerisch längst gefestigt, mit einer eigenen Handschrift.
Die spanische Oboistin spielt traumwandlerisch sicher, mit warmem Ton und perfekter Atemkontrolle. Das klingt wie aus dem Lehrbuch. Sie wirkt total souverän, als gäbe es keine technischen Hürden.
Elbphilharmonie: Oboistin Godoy klingt wie aus dem Lehrbuch
Dabei haben Godoy und der Pianist Mario Häring für den Auftritt im Kleinen Saal der Elbphilharmonie ein anspruchsvolles Programm ausgesucht. Mit einem Fokus auf der Musik des 20. Jahrhunderts und einem frisch komponierten Werk obendrauf. Die Auswahl ist ein bisschen kleinteilig, aber auch abwechslungsreich.
Adolphe Deslandres „Introduction et Polonaise“ becirct mit schlangenbeschwörerischen Verzierungen, von Godoy geschmeidig geformt; Charlotte Bray führt Oboe und Klavier im 2020 entstandenen „The other Eden“ oft in Unisono-Gesten zusammen. Dabei bleibt das Halte-Pedal am Flügel unten, so dass die Klänge eine Art Nebelschweif bekommen.
Elbphilharmonie: Godoy – schon jetzt ein Stern am Musikhimmel
Mario Häring ist weit mehr als ein Klavier-„Begleiter“. Das zeigt er nicht nur mit Solostücken von Debussy und Schönberg. Im vielleicht spannendsten Werk, Brittens „Temporal Variations“, setzt er wichtige Akzente.
Dort inszeniert der Komponist farbige Charakterwechsel, von der andächtigen Stimmung eines Chorals bis zu burschikosen Tanzgesten von Walzer und Polka. Und es ist vor allem Häring, der hier auch mal geräuschhaft zupackt. Solche rauen Sounds gibt’s bei der Oboistin nicht. Cristina Gómez Godoy bleibt kultiviert und filigran, egal, was passiert.
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In puncto Ausdruck könnte sie also schon noch mehr wagen, wenn sie wollte. Überhaupt wünschte man dieser großartigen Künstlerin vielleicht, dass sie noch etwas mehr aus sich herausgeht und Kontakt zum Publikum aufnimmt, so wie sie es bei der Gershwin-Zugabe andeutet. Was aber die Schönheit des Klangs, den musikalischen Feinsinn und die Beherrschung des Instruments angeht, ist sie kein Stern, der noch viel Raum zum Aufgehen hätte. Da steht sie schon ganz oben.