Hamburg. Dunkle Gefühlszustände bei Felix Mendelssohn – das Aris Quartett legte einen reifen Auftritt hin und wurde vor den Zugaben fluffig.

Felix Mendelssohn war wahrscheinlich nirgendwo sonst so persönlich und so emotional wie in seinem f-Moll-Streichquartett. Das Werk ist nach dem Tod der Schwester Fanny entstanden und unverkennbar von der Verzweiflung über den Verlust zerfurcht. Ausgelöst von einem Schockmoment des Cellos, zittern und beben die Streicher zu Beginn mehr, als dass sie ein Thema formen. Sie künden vom inneren Aufruhr, bevor ein Motiv stechenden Schmerz artikuliert.

Wie mitreißend das Aris Quartett diese dunklen Gefühlszustände im Kleinen Saal der Elbphilharmonie durchlebt, wie klar es die Phasen des zärtlichen Erinnerns dagegen absetzt: Das zeugt von einer Könnerschaft und Reife, die längst den Talent-Status hinter sich gelassen hat. Deshalb ist das 2009 gegründete Ensem­ble eigentlich schon zu weit für die Rubrik der „Rising Stars“.

Aris Quartett: „Rising Stars“ in der Elbphilharmonie

Aber die gleichnamige Reihe beschert den ausgewählten Künstlerinnen und Künstlern natürlich eine tolle Chance, in wichtigen europäischen Konzerthäusern aufzutreten. Und sie belegt das hohe Niveau der jüngeren Generation. Die Elbphilharmonie präsentiert die „Rising Stars“ als kleines Festival, mit sechs Konzerten innerhalb einer Woche und einem besonders intensiven Education-Begleitprogramm, samt täglichen Schulbesuchen.

Der Auftakt mit dem Aris Quartett ist spitze, nicht nur bei Mendelssohn. Im kurzen Auftragswerk „in-side“ von Misato Mochizuki erkunden die Musikerinnen und Musiker geheimnisvolle Sounds mit ihren Instrumenten. Ein hypnotischer Rhythmus, auf dem Resonanzkörper des Cellos geklopft. Langgezogene Glissandi. Und Flageolettes der hohen Stimmen, kristallzart und klar. Das ist faszinierend. Und mit fünf Minuten fast ein bisschen schnell vorbei.

Passagen, in denen norwegische Trolle zu tanzen scheinen

Dafür bringt die zweite Hälfte weite Bögen. Im Streichquartett von Edvard Grieg, das manchmal in sinfonische Dimensionen strebt. Auch mit seinem satten, von vielen Akkorden gestützten Klang. Da verströmen die Interpreten eine beinahe orchestrale Fülle.

Mit feinem Gespür für Griegs Tonsprache inszeniert das Aris Quartett die Kon­traste des Stücks. Die süßen Melodien in der Romanze, die manchmal beinahe einen Tick süßlich geraten. Die folkloristisch inspirierten Passagen, in denen norwegische Trolle zu tanzen scheinen. Und die großen, dramatischen Gesten.

Im Finale hauen die vier noch mal alles raus, die Kraft der Musik ist physisch zu spüren. Ein starker Auftritt des Ensem­bles, das nicht nur packend spielt, sondern mit der fluffigen Anmoderation der Zugaben auch noch reichlich Sympathiepunkte sammelt.