Hamburg. Mit viel Charme zog der Dirigent des Netherlands Philharmonic Orchestra das Publikum in den Bann. Überzeugend auch Maria João Pires.
- Netherlands Philharmonic Orchestra begeistert mit Wagner in der Elbphilharmonie
- Dirigent Lorenzo Viotti und Pianistin Maria João Pires überzeugen besonders
- Siegfried-Motive ein großer Genuss
Mit seiner offenen und unkomplizierten Art gewinnt Lorenzo Viotti die Herzen eines jeden Orchesters und eines jeden Publikums wie im Fluge. Egal ob er dirigiert oder charmant über die Klassik plaudert, begeistert er Jung und Alt gleichermaßen und stellt auf eine gewisse Art einen ganz neuen Typus eines Maestros dar.
Jugendlich, sportlich und zugewandt ist sein Auftreten und man kann sich gut vorstellen, wie er als Chefdirigent des Netherlands Philharmonic Orchestras und der Dutch National Opera in den Niederlanden gerade immer breitere Pubikumsschichten für die Klassikszene erobert.
Netherlands Philharmonic Orchestra in der Elbphilharmonie zu Gast
Am Montag war er mit seinem Netherlands Philharmonic Orchestra und der legendären portugiesischen Pianistin Maria João Pires in der Elbphilharmonie zu Gast – und griff bei seinem ersten Auftritt erst einmal zu einem Mikro anstelle eines Taktstocks.
Er freue sich auf ein unglaubliches Programm an diesem Abend, moderierte er und erzählte auf unterhaltsame Art, wie Richard Wagners „Siegfried-Idyll“, das erste Stück an diesem Abend, entstanden sei. Als eine Perle, ja ein „Bijou“, wie man ein Kleinod in der Schweiz gern nennt, bezeichnete er das Werk und forderte das Publikum auf, beim Hören am besten die Augen zu schließen. Damit könne man sich nämlich am besten in die Lage Cosima Wagners versetzen, die an ihrem Geburtstag 1870 noch im Halbschlaf war, als ihr 24 Jahre älterer Ehemann Richard sie mit diesem Werk überraschte.
Netherlands Philharmonic Orchestra: „Siegfried“-Motive waren ein Genuss
Es war ein Erlebnis, mit welch weichen Konturen Viotti das lyrische Werk, das zunächst nur mit einem Streichquintett anhob, danach leitete. Auch als das volle Orchester mit einer üppigen Zehnerkette in den Violinen und acht Kontrabässen zu kraftvollen Steigerungen überleitete, achtete Viotti darauf, alles leicht und unpathetisch zu halten, um den ganzen Zauber dieser klingenden Liebeserklärung an Cosima, wie er das Werk vorab auch nannte, sich recht entfalten zu lassen.
Es war ein Genuss, wie Viotti die aus dem Musikdrama „Siegfried“ entlehnten Motive mit großer Emotionalität formte und Nebenstimmen wie am Ende einmal die Klarinette immer wieder in den Vordergrund schob. Sanfte Ritardandi, kleine Zäsuren und Trillerketten in zartestem Pianisssimo ließen uns einen Siegfried vors geistige Auge treten, bei dem es sich eben nicht um den Sagenhelden, sondern um einen empfindsamen, zerbrechlichen Menschen handelt, wie es der gerade erst geborene Sohn Cosimas und Richards am Tag der Uraufführung damals war.
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Pianistin Maria João Pires als Meisterin klanglicher Feinheiten
Dass Viotti in Wolfgang Amadeus Mozarts letztem Klavierkonzert B-Dur KV 595 dann auch noch eine Meisterin in der Zeichnung klanglicher Feinheiten wie die portugiesische Pianistin Maria João Pires zu begleiten hatte, sorgte gleich für den nächsten Höhepunkt. Transparent war das Klangbild in der Orchesterexposition, und Viotti achtete auf einen glasklaren Aufbau mit vielen deutlichen Zäsuren und plötzlichen dynamischen Rücknahmen, die Pires’ delikatem Anschlag und Cantabile die Bühne bereiteten.
Mit welcher Lockerheit und Eleganz diese 78-jährige Pianistin die Läufe perlen und die Triller im Pianissimo quasi wie ins Nichts entschwinden lässt, ist einfach einzigartig. Und es war hinreißend, wie sich der Maestro am Ende sogar hinter dem Flügel versteckte, um der bescheidenen, liebenswerten Pianistin den ganzen Applaus allein zu gönnen.
Elbphilharmonie: Brahms’ 2. Sinfonie mit großer Leidenschaft
Mit weißem Hemd und weißer Fliege sowie einem blauen Frack mit weinrotem Innenfutter und schwarzen Lackschuhen gekleidet setzte Lorenzo Viotti auch modisch Akzente, als er mit großer Leidenschaft Brahms’ 2. Sinfonie mit dem Netherlands Philharmonie Orchestra zum Schluss anstimmte.
Mit reicher Körpersprache baute er die melodischen Wellen des Kopfsatzes und das Klangvolumen auf und schuf ohne jeden Druck gewaltige Steigerungswellen. Man spürte die große Lust, mit der er und das Orchester das Sehnsuchtsvolle des Adagio ma non troppo und das Übermütige des Allegretto grazioso herausarbeiteten. Da gab es dann kein Halten mehr, als nach dem rätselhaft gedeckt und fern klingenden Beginn des Finales die ganze Lebendigkeit dieser Sinfonie mit diesem Orchester in vollem Schwung losbrach.