Tom Lins „Die tausend Verbrechen des Ming Tsu“ ist ein Debüt wie ein Paukenschlag, Thriller und Western in einem.
Tom Lins „Die tausend Verbrechen des Ming Tsu“ (Dt. v. Volker Oldenburg, Suhrkamp, 304 Seiten, 16 Euro) ist ein Debüt wie ein Paukenschlag, Thriller und Western in einem, eine formidable Rachegeschichte: Man schreibt das Jahr 1869, im Westen der USA wird die erste Eisenbahnstrecke gebaut, durch Nevada ins kalifornische Sacramento soll sie führen. Auch Ming Tsu hat einst am Schienenstrang mitgebaut, bis ihn seine Bosse beinahe getötet hätten, weil er, der Chinese, sich mit der weißen Frau eines Eisenbahnbarons zusammengetan hatte. Fortan sinnt Ming Tsu auf Rache.
Er schließt sich einer fahrenden Zirkustruppe an, und begleitet von dem „Propheten“, einem alten Chinesen, der die Zukunft sehen kann, macht sich der bunte Haufen auf den Weg. In den Orten entlang der Bahnstrecke trifft Ming Tsu auf seine Peiniger. Doch sein eigentliches Ziel ist Sacramento, denn dort lebt Ada, die weiße Frau, seine große Liebe. Tom Lin erzählt seine wuchtige Saga mitreißend – garniert mit Grausamkeiten, mit Witz, mit allerlei Wunderlichkeiten, mit Spannung. Zudem entwirft er ein schillerndes Figurentableau, das nur so strotzt vor Skurrilitäten und doch viel Menschliches und Allzumenschliches birgt. Und auch dieses gelingt Tom Lin: Obwohl sein Antiheld Ming Tsu ein Hitman ist, ein Killer also, zieht er alle Sympathien auf sich. Ein schrecklich-schöner Thriller.
Ebenfalls in der Neuen Welt hat Frauke Buchholz ihren Kriminalroman „Blutrodeo“ (Pendragon, 264 Seiten, 18 Euro) angesiedelt. In der kanadischen Provinz Alberta lässt die Autorin, die für einige Zeit auch in einem Reservat gelebt hat, ihre Geschichte spielen. Dort zerstören profitgierige Konzerne durch den Ölsandabbau ganze Landstriche, zu leiden hat darunter vor allem die indigene Bevölkerung. Als in Calgary zwei alte Männer, die einst für die Konzerne gearbeitet haben, brutal getötet werden, wird der Profiler Ted Garner zu Hilfe gerufen. Sehr zum Leidwesen der jungen, ehrgeizigen Polizistin Samantha Stern, die den Fall lieber allein klären möchte. Garner ist ein Einzelgänger, er ist überheblich, doch ihm eilt der Ruf eines absoluten Profis voraus.
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Stern bleibt skeptisch, doch sie hat keine Wahl. Und so machen sich die beiden gänzlich verschiedenen Charaktere auf, einen Fall zu lösen, der sie nicht nur zurück in die Vergangenheit der beiden Toten führt, sondern sie auch in höchste Gefahr bringt. Wie schon in ihrem prämierten Debüt „Frostmond“ gelingt es Frauke Buchholz auch in ihrem aktuellen Roman, eine dramaturgisch raffinierte und spannende Geschichte um Mord und Skrupellosigkeit zu spinnen. Eine Geschichte zudem, die grelle Schlaglichter wirft auf den Umgang des Menschen mit der Natur.