Hamburg. Eine Putzfrau und ein Wachmann tanzen nach Feierabend durch ein leeres Kaufhaus. Eine herzerwärmende Premiere.

Die Bühne der Hamburger Kammerspiele müsste derzeit nach jeder Vorstellung picobello glänzen. April Hailer jedenfalls schrubbt und wienert sie als Putzfrau Maria gewissenhaft, während sie sich „ab und zu ein Schlückchen gegen das Alleinsein“ genehmigt. Nach dem letzten adventlichen Konsumrausch der Kunden hat sie das leere Kaufhaus für die Feiertage in Ordnung zu bringen – oder vielmehr: das fast leere Kaufhaus, denn außer Maria ist auch Josef da, der alte Wachmann.

Zwei Übriggebliebene, die sich begegnen und wärmen, beide haben keine Herberge gefunden an diesem traurigen Heiligabend. Das ist die Ausgangssituation in Peter Turrinis „Josef und Maria“, das nach Stationen in Harburg und in der Europa Passage im vergangenen Winter nun – in der Regie von Oberspielleiter Sewan Latchinian – seine Premiere an den Kammerspielen feierte.

Hamburger Kammerspiele: "Ein alter Mensch hat's auch nicht leicht"

Maria, die von ihren Erinnerungen als Varietétänzerin zehrt, ist von ihrer Familie nicht mehr gewollt (für die verhasste Schwiegertochter fällt mehrfach die Schmähvokabel „Hurenviech“), dem Alt-Kommunisten Josef ist ohnehin „alles Heilige zuwider“. Er sei „der letzte von allen Genossen, der letzte Mohikaner der ausbleibenden Gerechtigkeit“, ein Versehrter wie Maria, die Reinigungskraft mit der klassischen Ballettausbildung. Ihre Erkenntnis der Gemeinsamkeiten ist pragmatisch: „Ein alter Mensch hat’s auch nicht leicht, ich sag’s, wie es ist.“

Ein Zwei-Personen-Stück wie dieses muss von seinen Darstellern leben – und die Besetzung ist absolut stimmig. April Hailer, die mit wohldosiertem Sarkasmus und bemerkenswert gelenkig durch die Kulissen wirbelt, und Gerhard Garbers, dem man seine tatsächlichen 80 Jahre kaum glauben mag, sind als tangotanzendes Senioren-Duo der Arbeiterklasse ein leicht schrulliges, aber sehr charmantes Pärchen. Ausgemustert, aber noch lange nicht verschlissen.

Hamburger Kammerspiele: das ideale Weihnachtsmärchen für Ü60-Jährige

Beim altersmäßig zu einem großen Teil ähnlich fortgeschrittenen Publikum, das sich unbedingt selbstironisch präsentiert, kommt der so lustige wie liebevolle und anrührende Abend ausgesprochen gut an. Auch die Inszenierungsportionen sind übrigens wohlverdaulich: Die Pause passiert schon nach 45 Minuten. „Josef und Maria“ ist im Grunde, und das ist in keiner Weise despektierlich gemeint, das ideale Weihnachtsmärchen für die Ü-60-Jährigen.

„Josef und Maria“, Hamburger Kammerspiele, Vorstellungstermine bis zum 26. Dezember, Karten unter T. 41 33 440 und www.hamburger-kammerspiele.de