Hamburg. Das „Democratic Bootcamp“ versammelt freie Theatergruppen zu einer kollektiven Spielshow – die zu einem Theaterstück wird.

Die freie Theaterszene ist ein Haifischbecken. Jeder kämpft gegen jeden, am Ende ist längst nicht ausreichend Publikum für alle da, Geld noch weniger, und jedes Jahr bleiben welche auf der Strecke. Aber: Die freie Szene ist auch ein Ort der gegenseitigen Solidarität, ein Ort, an dem neue, kollektive Formen des Zusammenarbeitens ausprobiert werden können. Wahrscheinlich ist die freie Szene tatsächlich beides, Utopie und Alptraum.

Acht Theatergruppen aus Deutschland und der Schweiz nehmen gerade auf Kampnagel an einem „Democratic Bootcamp“ teil, in dem Teilhabe und Augenhöhe hergestellt werden und, so das hehre Ziel, „das Wissen der Kollektive über demokratischen Zusammenhalt in die Welt getragen“ werden soll.

Kampnagel Hamburg: Alle Gruppen mischen bei "Die Show" mit

Konkret gibt es am Sonnabend verschiedene Trainingseinheiten zu Themen wie Verantwortung, Gleichberechtigung und Entscheidungsfindung. Aus Hamburg sind die inklusive Gruppe Meine Damen und Herren sowie das altersgemischte Kollektiv SKART/Masters Of The Universe dabei.

Es wird aber nicht nur trainiert und genetzwerkt, es wird auch Kunst gemacht. Und zwar ein Stück namens „Die Show“, eine Spielshow, an der alle beteiligten Gruppen mitmischen (bis auf She She Pop, die kommende Woche in Berlin Premiere feiern und deswegen nur per Video zugeschaltet werden).

Beim Brainstorming werden Ideen gesammelt

Wobei nicht so richtig klar ist, was hier eigentlich für Spiele gespielt werden und wie der Einsatz lautet – per Brainstorming werden beispielsweise zunächst Ideen gesammelt, was an kollektiver Arbeit wichtig ist („Kaffeepause!“ „Geld!“), die Ergebnisse werden auf Luftballons geschrieben, die dann unter großem Hallo platzen. Ein paar Werte bleiben übrig, und das sind dann … Ja, was? Die Gewinner?

Vielleicht ist die Idee des „Democratic Bootcamp“ hier nicht ganz ausgereift, vielleicht ist die Spielshow nicht das richtige Format, um ernsthafte Fragen zu verhandeln, vielleicht versteht auch der Autor die ganzen „Wetten dass …?“-Anspielungen einfach nicht. Jedenfalls: Was hier ein wenig ungeordnet daherkommt, gewinnt an Stringenz, als echte Unordnung in „Die Show“ einbricht. „Die Show“ nämlich wird zu einer Person, die sich in der Stimme von Melanie Lux manifestiert, und die ist angefressen, als die Teilnehmer sich als solidarisch miteinander erweisen.

Kampnagel Hamburg: Show wird zum Theaterstück

Also stiftet sie Chaos, es gibt Tote, und irgendwann gibt es auch Zombies. Und plötzlich ist „Die Show“ ein echtes, tendenziell trashiges Theaterstück, das man auch dann gerne anschaut, wenn man mit Spielshows nichts anfangen kann. Nur als kollektives Projekt geht dieser Rückgriff auf die Theaterkonvention dann nicht mehr durch.

Democratic Bootcamp „Die Show“ bis Sonnabend, 3.12., täglich um 20 Uhr, Trainingslager am Sonnabend von 11 bis 17.30, Kampnagel, Jarrestraße 20, Tickets unter 27094949, www.kampnagel.de