Hamburg. Der Klassiker der schwarzen Weihnachts-Komödien von Alan Ayckbourn mit großartiger Besetzung. Was das Stück besonders macht.

Weihnachten, das Fest der Liebe? Für Harvey (Achim Wolff) sicher nicht. Der Zausel sitzt mit Kopfhörern vor dem Fernseher und glotzt Baller-Filme mit hohem Bodycount und freut sich über jede blutrünstige Metzelei. Was um ihn herum im Weihnachtszimmer passiert, bekommt er wegen des Kopfhörers und seiner Schwerhörigkeit nur bedingt mit. Weihnachtsgeschenke für seine Neffen und Nichten hat er aber schon besorgt: "Ich schenke allen eine Pump-Gun", tönt er aus seinem Sessel. 30 Jahre im Sicherheitsdienst haben ihre Spuren bei Harvey hinterlassen. Aber er ist nicht der Einzige, der während der Weihnachtstage aus dem Ruder laufen wird.z

Klassiker unter den schwarzen Komödien

Schon 1980 hat Alan Ayckbourn seine schwarze Komödie "Schöne Bescherungen" geschrieben. Es ist in den vier Jahrzehnten seiner Aufführungsgeschichte zum Klassiker geworden. Allerdings benutzt Ayckbourn auch Klischees, die es so sicher immer noch gibt, die aber inzwischen stark hinterfragt werden, gerade was die Rollen der Frauen angeht.

Bei seiner Inszenierung in der Komödie Winterhuder Fährhaus über diese dysfunktionale Familie hat Regisseur Folke Braband, diese Stereotypen weitgehend beibehalten, aber immer wieder baut er aktuelle Anspielungen in den Text ein. Aus "Indianern" werden dann "nordamerikanische Ureinwohner" und auch die kontrovers diskutierte "One Love"-Armbinde wird erwähnt. In der Komödie ist es bereits das neunte Stück von Ayckbourn, das hier gegeben wird, angefangen mit Peter Zadeks Inszenierung von "Ab jetzt", die im Herbst 1989 mit Ingrid Andree und ihrer Tochter Susanne Lothar in Winterhude lief.

Ein großartiges Ensemble steht auf der Bühne

Auch Folke Braband hat 1993 mit "Frohe Feste" an gleicher Stelle einen Ayckbourn in Szene gesetzt. Bei seiner aktuellen Arbeit kann er sich auf ein großartiges Schauspielerensemble verlassen, in dem jeder die ihm zugedachte Typisierung erstklassig umsetzt. Den schwierigsten Part hat dabei Svenja Wasser, die kurzfristig die Rolle der Rachel für die erkrankte Sabine Fürst übernommen hat.

Mit ihrer großen Brille wirkt ihre Rachel etwas unnahbar, Wasser spielt sie als eine verklemmte Intellektuelle, die endlich einen Partner möchte und deshalb den Schriftsteller Clive (Tommaso Cacciapuoti) eingeladen hat. Doch mit Händchenhalten unterm Tannenbaum wird es nichts, denn der "Schreiberling" (Originalton Onkel Harvey) wird von der attraktiven Gastgeberin Belinda (Katja Weitzenböck) nach allen Regeln der Kunst angebaggert.

Sex unterm Weihnachtsbaum und andere Pannen

Belinda ist das Zentrum dieser Familie. Katja Weitzenböck spielt sie als eine Schönheit mit Grandezza und Stil, die immer die Kontrolle über alles haben will, was in ihrem Haus passiert. Sie hat den riesigen Tannenbaum geschmückt, der das Wohnzimmer dominiert (Bühne: Tom Presting), sie bestimmt die Abläufe.

Sorgen bereitet ihr nur, wenn ihre dauerbeschwipste Schwägerin Phyllis (großartig neben der Spur: Marion Kracht) ihre Küche in ein rauchendes Schlachtfeld verwandelt. Auch ihrem Mann Neville, von Timothy Peach als arroganten und selbstgefälligen Gastgeber gespielt, ist sie überlegen. Den Technik-Nerd erträgt sie, doch sie wünscht sich mehr männliche Aufmerksamkeit. Da kommt ihr der etwas unsichere Clive gelegen. Mit Blicken, kleinen Berührungen, pointierten Gesprächspausen zeigt sie ihr Interesse und wickelt den Schriftsteller um ihren Finger. Der Sex unterm Weihnachtsbaum scheitert an einem aus Versehen in Gang gesetzten Plastikroboter, der das ganze Haus aufweckt und Slapstick vom Feinsten ist.

Höhepunkt der Inszenierung: ein Puppenspiel

Komischer Höhepunkt des Stücks und in Brabants Inszenierung ist jedoch die Generalprobe eines Puppenspiels, das Bernard (Oliver Dupont) vorbereitet hat. Der "schlechteste Arzt der Welt" (O-Ton Onkel Harvey) ist Phyllis dauerbesorgter Ehemann und ein lieber Softie, der an eine Welt ohne Gewalt glaubt und jedes Jahr zu Weihnachten ein selbst geschriebenes Puppenspiel für die Kinder aufführt. In einem grotesk-bunten Pullover, mindestens so komisch wie der von Colin Firth im ersten "Bridget Jones"- Film, probt er mit Hilfe der schwangeren Pattie (Alice Hanimyan) sein Stück über die "3 Schweine", doch nach zwei von 16 Szenen ist bereits Schluss.

Publikum ist nach der Aufführung begeistert

Patties nichtsnutziger Mann Eddie (Alexis Kara) hat die Bühne zusammenkrachen lassen. Wie Oliver Dupont mit Hingabe sein Puppenspiel zelebriert, ist von so wahnwitziger Komik, dass allein diese lange Szene den Besuch der "Schönen Bescherungen" lohnt. Es gibt auch sonst viel zu lachen über dieses immer absurder werdende Weihnachtsfest.

Brabant und den Schauspielern gelingt es, die Figuren trotz aller Klischees nicht zu Karikaturen werden zu lassen. Die Beweggründe für ihr Handeln, so grotesk dieses auch wirkt, entspringen der besonderen Persönlichkeit jeder Figur. Am Ende der zweieinhalbstündigen Aufführung gibt es begeisterten Beifall für die Schauspieler und das Regie-Team.

Schöne Bescherungen, Komödie Winterhuder Fährhaus, läuft bis 11.12. und vom 20.12. bis 8.1., Karten unter T. 040/480 680 80, www.komoedie-hamburg.de