Hamburg. Die sächsische Staatskapelle Dresden mit Solistin Julia Fischer und Dirigent David Afkham sind zweimal in Hamburg zu Gast.
Ganz einfach, harmlos geradezu, wirkt die Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy nur, bis man sie tatsächlich spielt. Dass die Sächsische Staatskapelle Dresden sich für den ersten ihrer zwei Elbphilharmonie-Gastspielabende nicht nur einen, sondern gleich drei seiner Hits auf die Notenpulte verordnet hatte, machte die Angelegenheit nicht einfacher. Erst recht nicht für den Dirigenten David Afkham, einen der beiden Einspringer für den schulterlädierten Christian Thielemann, der sich redlich bemühte, mit Betonung auf redlich, nicht aufs Bemühen.
Elphilharmonie Hamburg: Dresdner Holzbläser begeistern
Aus der kleinen, feinen „Hebriden“-Ouvertüre, die auf den Abend einstimmte, nur eine überschaubare Menge romantisch-schottisch verklärten Natur-Idylls herauszuholen, das muss man erstmal schaffen. Ja, die Holzbläser der Dresdner sind in Sachen Klangverschmelzung eine Liga für sich (Gratulation zum Solo-Klarinettisten).
Doch diese hörbare, gereifte Expertise nützt nur bedingt, wenn der vom Dirigenten zu inszenierende Gesamtzusammenhang ziemlich nüchtern in den Raum gestellt wird, anstatt ihn subtil und als Ohrenkino mit Spannung und Schimmern aufzuladen. Wenn man schon auf dieser Dresdner „Wunderharfe“ spielen darf, sollte man auch genügend beherzt in ihre Saiten greifen.
Geigerin Julia Fischer: Eine Musik-Maschine
Eindeutig unschuldig an Afkhams Motivations- und Prägnanz-Problemen im Umgang mit diesem Traditionsorchester war die Geigerin Julia Fischer. Sie nämlich spielte von der ersten Phrase des e-Moll-Konzerts an für zwei und mit der Präzision eines Uhrwerks. Fischer ist eine Musik-Maschine, das aber im allerbesten Sinne dieses Wortes, sie zieht ein Orchester hochtourig mit und kann dabei dennoch unverspannt und spielerisch im Ausdruck und in der Gestaltung bleiben.
Wenn Fischer ein Standard-Stück wie diesen Mendelssohn angeht, ist alles, wirklich alles tadellos, aufgeräumt, detailpenibel und mustergültig. Sie erzieht jeden um sich herum zur Genauigkeit, das Brillieren ist kein Selbstzweck mehr, sondern bestaunenswerte Begleiterscheinung. Blumiger ausgedrückt: Sobald Julia Fischer ein Solo-Konzert spielt, geht das wie ein sehr freundliches, aber bestimmtes Messer durch sehr sachdienlich Platz machende Tutti-Butter.
Kein Widerstand, nirgends, komplett freie Bahn, um die Möglichkeiten zu erkunden und im Rahmen der Konvention auszureizen. Jede ihrer Noten sitzt, millimetergenau und examensreif dort, wo sie hingehört.
Inszenierung bleibt freundlich – und kleinkariert
Für den verdienten Beifall bedankte Fischer sich mit einer rasant perlenden Caprice von Paganini und normalerweise wäre es das für sie gewesen; danach hätte man von der Virtuosin nur noch die Rücklichter auf dem Weg zum Tour-Hotel gesehen. Offenbar hatte Fischer aber selbst so viel Vergnügen an dem Abend und Lust auf mehr Bühnenluft, dass sie sich dachte: Ach was, ein Mendelssohn ist kein Mendelssohn, die „Schottische“ spiele ich vom Blatt an einem der hinteren Pulte der Ersten Geigen einfach mal mit.
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Ihr sichtbarer Spaß daran, einmal nicht im Mittelpunkt zu stehen, aber dennoch Teil dieses Ganzen zu sein, ist nichts, was man alle Tage mit Virtuosinnen und Virtuosen erleben kann. Afkhams „Schottische“ blieb aber dennoch freundlich und leicht kleinkariert. Thielemann, bei diesem Repertoire selten um Zaubereien verlegen, hätte womöglich eine Menge mehr herausgeholt. Bei Afkham ahnte man eher, dass so einiges vorenthalten wurde.
Elbphilharmonie Hamburg: Zweite Vorstellung am Mittwoch
Die Staatskapelle Dresden spielt erneut am Mittwoch, den 23.11., 20 Uhr, im Gr. Saal der Elbphilharmonie. Für Christian Thielemann springt dann Tugan Sokhiev ein. Auf dem Programm: das Beethoven-Violinkonzert (Solistin: Julia Fischer) und Brahms' 1. Sinfonie.