Hamburg. Christian Thielemanns Interpretationen der ganz großen Meister sind kontraststark und fordernd, in die Tiefe gedacht.

„Mit Beethoven bist du nicht so schnell fertig (…) Beethoven bedeutet, Farbe zu bekennen“, schrieb sich Christian Thielemann als mahnende Autokorrektur ins Buch-Vorwort über seinen Deutungs-Blick auf diesen Komponisten. Dass dieser Blick wertkonservativ ist, auf Kapellmeister-Tugenden wie Gründlichkeit und klare Ansagen pochend, ist nicht neu;

Er neigt dazu, die dramatischen Situationen, in denen Stimmungen die Temperatur ändern oder vergrübelt die nächste Etappe vorbereiten, durch breites Ausbreiten dieser Passagen noch zu betonen. Die Sechste und die Siebente – ein spannungsgeladenes Gegensatzpaar, seiner Meinung nach – waren das Tournee-Sortiment, mit dem Thielemann und seine Sächsische Staatskapelle Dresden nun in den Großen Saal der Elbphilharmonie kamen.

Thielemann zieht Tempi mitunter ins gediegen Getragene

Die verquaste Debatte über den vermeintlich „deutschen Klang“ muss man zur Begutachtung des Ergebnisses nicht wieder exhumieren, denn die Dresdner hatten bei der Aufführung dieser Erbstücke einen prächtigen Klang zu bieten, der raumfüllend und warm ist, fein ausbalanciert in den Holzbläsern. Das hohe Blech allerdings hatte mitunter zu viel Spaß an der eigenen Leistungsfähigkeit. Thielemann zelebriert diese sächsische Güteklasse in der „Pastorale“ mit großer Würde und ohne allzu plastisches Abfotografieren der verkomponierten Natur-Eindrücke.

Er ließ es sich allerdings auch nicht nehmen, Tempi mitunter ins gediegen Getragene zu ziehen. Kann man so machen, dann klingt es eben sehr eigen. Grobrhetorisch formuliert: In solchen Momenten ist Thielemanns Beethoven schon näher an Bruckner als noch an Haydn, die Wendigkeit der musikalischen Gedanken wird der Maximierung des Erhabenen untergeordnet.

Mit der Siebenten ging er noch einige individuelle Schritte weiter, indem er sie als Fortsetzung der Fünften mit anderen Mitteln deutete: Die Außensätze, in denen viele so gern vieles tänzeln und leicht wirken lassen, beschwerte er mit Bedeutungswucht. Dafür hellte er den trauermarschierenden Charakter des Allegrettos auf, bevor es ins schnittig angeschärfte Presto ging und von dort in den Schlusssatz, in dem Thielemann stark auf massige Überwältigung setzte und weniger auf euphorische Überzeugung.

Nächste Staatskapellen-Konzerte: 28. / 29.9., 20 Uhr, alle Beethoven-Klavierkonzerte mit Rudolf Buchbinder (Solist und Leitung). Elbphilharmonie, Gr. Saal. Evtl. Restkarten. Buch: Christian Thielemann „Meine Reise zu Beethoven“ (C.H. Beck, 271 Seiten, 22 Euro)