Für das Konzert in der Laeiszhalle hatte der Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor Gäste eingeladen, die die Aufmerksamkeit auf sich zogen.

Für sein Konzert am Sonnabend in der Laeiszhalle hatte der Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor einen „Special Guest“ eingeladen, der vor dem eigentlichen Hauptwerk des Abends sehr viel Zeit und Raum für sich beanspruchen sollte. Die Pianistin Elisaveta Blumina nämlich hatte das Schlusskonzert ihres engagierten Hamburger Kammermusikfestes International just mit diesem Chorkonzert zusammengelegt und dabei anstelle eines Kammermusikwerkes eine für Streichorchester bearbeitete Fassung von Mieczysław Weinbergs Klavierquintett aufs Programm gesetzt.

Das war insofern praktisch, als ihr dafür die Streicher der Bremer Philharmoniker unter Hansjörg Albrechts Leitung zur Verfügung standen. Das Problem dabei war allein, dass das fast eine Stunde Spieldauer beanspruchende Klavierquintett des russischen Schostakowitsch-Zeitgenossen polnischer Herkunft nicht recht in das Programm dieses Chorkonzerts passen wollte.

Konzert Hamburg: Effekt in der Laeiszhalle erinnerte an Gesang in der Kirche

Dieses begann nämlich mit dem wunderbaren „Selig sind die Toten" SWV 391 aus Heinrich Schützs „Geistlicher Chor-Music“ aus dem letzten Jahr des Dreißigjährigen Krieges 1648, das der Chor sehr wirkungsvoll nicht vom Podium aus, sondern vom 2. Rang ganz hinten gesungen hat. Maestro Hansjörg Albrecht, der schon mit den Streichern der Bremer Philharmoniker und der Pianistin die Plätze eingenommen hatte, dirigierte die Sängerinnen und Sänger von unten aus und erzielte einen Effekt, der an Kirchenkonzerte erinnerte. Einige der Choristen waren links und rechts postiert, sodass der Eindruck von Wechselgesängen wie von gegenüberliegenden Kirchenemporen entstand.

Ohne eine Pause nach dem Schütz-Werk ließ Albrecht das Klavierquintett anheben, das nach einem rätselhaft versonnenen Beginn sogleich in einen energischen zweiten Abschnitt überging und mit fast marschartigen Rhythmen und Motiven in eine fast aggressive Stimmung wechselte.

Doch auch die war nicht von Dauer, und im Verlauf des fünfsätzigen Werkes, das mehr einer Sinfonie mit Soloinstrument denn einem orchestrierten Kammermusikwerk glich, war der scharfe Kontrast von Versöhnlichem und Hochdramatischen schließlich in jedem Satz Programm.

Immer wieder dominierte das Klavier

Der Bearbeiter des Kammermusikwerkes Mathias Baier hatte die Klangmöglichkeiten eines vielfach aufgefächerten Streicherklangs geschickt ausgenutzt und Albrecht gelang es, eine ungeheure Vielfalt an Pizzicati, Läufen und Solopartien der Konzertmeisterin und sogar der Solo-Bratscherin mit dem Solo-Klavier konkurrieren zu lassen.

Elisaveta Blumina konnte die ganze Pracht ihrer pianistischen und interpretatorischen Meisterschaft zeigen, denn immer wieder dominierte das Klavier in Sätzen wie dem hochvirtuosen Presto oder dem mit kraftvollen Akkorden der Streicher eingeleiteten Largo. Weinberg, dem immer eine große stilistische Nähe zu Schostakowitsch nachgesagt wird, überschreitet aber nie die Grenze zur Groteske wie der große russische Sinfoniker.

Weltstar singt das Orchester förmlich an die Wand

In Johannes Brahms’ Deutschem Requiem nun brillierte der zweite, noch etwas populärere Gast des Abends, Christian Gerhaher. Der Weltstar hatte bestimmt große Freude an der wirklich beeindruckenden Leistung des Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chores. Der vorsichtige Beginn seines großen Solos „Herr, lehre auch mich“ ließ noch nicht ahnen, welch gewaltige Steigerungen Gerhaher in kürzester Zeit erzeugte, sicher aber immer wieder gleich zurücknahm, einzelne Worte markant betonte und im sechsten Teil später das ganze Orchester förmlich an die Wand sang.

Für die erkrankte Sopranistin Elsa Benoit war Valentina Farcas eingesprungen, die aber mit einer überdramatischen Interpretation und schlechter Deklamation in ihrem Solo „Ihr habt nun Traurigkeit“ eher enttäuschte. Ganz anders Hansjörg Albrecht, der dem Brahms-Werk enorme Kontraste abgewann, die Dynamik penibel kontrollierte und insgesamt zu einer großen Ruhe neigte.