Hamburg. Das London Philharmonic Orchestra gab ein fabelhaftes Gastspiel mit Chefdirigent Edward Gardner und Geiger Christian Tetzlaff.
Wenn ein einzelnes Werk einen Komponisten abbilden könnte, dann wäre das bei Mendelssohn seine Konzertouvertüre „Ein Sommernachtstraum“. Es ist alles darin, kolibrileichte Anmut und eine Tiefe, die sich nie herausnähme, den Hörer direkt zu konfrontieren. Mendelssohn deutet nur an. Wer nicht aktiv hinhört, verpasst das Wesentliche.
Elbphilharmonie Hamburg: Zweites Gastspiel aus London
Der aberwitzig schnelle, fast unhörbar leise Beginn der Geigen lässt sich beim zweiten Konzert des Gastspiels, für das das London Philharmonic Orchestra und sein Chefdirigent Edward Gardner in die Elbphilharmonie gekommen sind nicht immer bis aufs letzte Sechzehntel akustisch auseinanderhalten. Womöglich ist es im Sinne Shakespeares, wenn man sich überlegt, was der im gleichnamigen Theaterstück für Verwirrungen anzettelt.
Die Musik verweilt ganz lange in einem spinnennetzzarten Pianissimo, als tanzte sie hinter einem Gazevorhang – sogar noch dann, wenn die Harmonien durch einen winzigen Tonwechsel ins Bedrohliche abkippen, wenn das Kontrafagott eine Prise Erdenschwere hinzufügt. Wie ein Traum weht die Ouvertüre vorbei.
Solist Christian Tetzlaff: GeschickterAuftritt
Als Solisten für das Violinkonzert von Tschaikowsky zaubern die Beteiligten Christian Tetzlaff aus dem Hut. Ein stärkerer Kontrast zur Geigerin des Vorabends, Anne-Sophie Mutter, ist kaum denkbar. Perfekt polierte Oberfläche bei Mutter, ausdrucksstarkes Spiel ohne Rücksicht auf Risiken bei Tetzlaff.
Er ist allezeit nah beim Orchester, lässt der Flötenmelodie den Vortritt, wenn er gerade nur einen langen, leisen Triller beizutragen hat. Dass ihn Gardners gelegentlich allzu straffes Dirigat im Finale – es ist nicht von ungefähr Allegro vivacissimo überschrieben, also „äußerst lebhaft“ – ganz kurz aus dem Konzept bringt, überspielt er geschickt.
Elbphilharmonie: Bühnendrama in Hamburg
Die Londoner Gäste enden mit Bartóks „Konzert für Orchester“. Das Werk ist voller dankbarer, farbiger Solopassagen. Es kommt die einsamste Trommel der Welt darin vor. Von den Holzbläsern, die in messerscharf artikulierten Figuren Paarlauf vollführen, und vom Choral der Blechbläser bleibt sie getrennt, bis sie den Satz ganz allein verklingen lässt.
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Im Intermezzo singen die Streicher innig und beseelt, voll weichem Schwung. Nichts lässt ahnen, dass im nächsten Moment das Blech die introvertierte Stimmung mit einer brutalen Jahrmarktmusik zerreißen wird. So wird aus dem weltzugewandten Stück vor dem inneren Auge ein ganzes Bühnendrama.
Was für ein passender Schlusspunkt für dieses zweitägige Fest.