Hamburg. Im Kleinen Saal brillierten die Streicher mit Dirigent und Solist Johannes Fischer. Im Programm: in die Saiten gebürstete Grooves.
Es gäbe so einiges zu berichten, nach dem jüngsten Konzert des Ensemble Resonanz. Über dessen nie versiegende Neugier auf unbekannte und frisch komponierte Stücke, darunter Francesca Verunellis Auftragswerk „In Margine“. Über die Lust daran, Kontraste auszuleben, wie mit dem liebeszarten Adagietto von Mahler und dem kratzig-fetzigen „Aheym“ von Bryce Dessner. Oder darüber, wie Annette Kurz und Paulus Vogt den Abend im Kleinen Saal der Elbphilharmonie dezent choreografieren und ausleuchten, etwa wenn sie Mahlers Musik in ein warmes, abendrötliches Licht tauchen.
All das wäre eine eigene Geschichte wert. Aber wer von diesem Konzert erzählt, kommt nicht umhin, einen Moment bei Johannes Fischer zu verweilen. Jenem unfassbar begabten und vielseitigen Musiker, der das Programm doppelt gerettet hat: Indem er erst kurzfristig für den erkrankten Dirigenten und dann, noch kurzfristiger, auch noch für den erkrankten Solisten eingesprungen ist.
Elbphilharmonie: Das Schlagwerk, ein echter Knaller
Das beschert dem Publikum den Glücksfall einer Begegnung mit Iannis Xenakis‘ „rebonds“ von 1987-89. Ein moderner Klassiker des Schlagwerkrepertoires. Aus einem hämmernden Puls entwickelt Xenakis immer komplexere Rhythmen, die sich verdichten und überlagern. Archaische Wucht trifft filigrane Ratter-Patterns. Faszinierend, wie präzise Fischer seine Bewegungen choreografiert und die Schlägel über Bongos, Tom-Toms und Woodblocks rasen lässt. Am Ende scheinen ihm vier bis sechs zusätzliche Arme zu wachsen. Ein echter Knaller.
Dabei ist Fischer überhaupt kein Muskelprotz, sondern eher der Typ Magier. Sein Spiel wirkt schon kraftvoll, klar, aber zugleich auch elegant und tänzerisch. Es sieht eigentlich nie nach harter Arbeit aus.
Elektronisch verstärkte Streichersounds
Auch nicht, wenn er am Pult steht und das Ensemble Resonanz dirigiert. Obwohl fast alle Stücke des Programms noch Neuland für ihn sind, navigiert Fischer das Kammerorchester sicher durch die Partituren und dringt zum Kern der Werke vor. Geheimnisvoll schaben die Streichersounds von Verunellis „In Margine“ – teilweise elektronisch verstärkt – an der Grenze zwischen Ton und Geräusch entlang. In Thomas Adès´ „Over the sea“ beschwört Fischer mit den Resonanzlern den leicht schwankenden Schwung eines Shantys; in den Ariel-Chansons von Frank Martin einen feinen Farbzauber.
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Und mit Mahlers Adagietto tauchen die Interpreten tief in den Ausdruck der Romantik ein, zwischen glühender Leidenschaft und Streichelgesten – bevor vier Musikerinnen und Musiker die eckigen Grooves von Dessners „Aheym“ in die Saiten bürsten, als stünden sie unter Strom. Das mitreißende Finale eines Konzerts voller Entdeckungen.