Düsseldorf. Auch „Krabat“ begründete Demis Volpis Ballettkarriere. Ein Besuch bei seinem Ballett am Rhein: Eine außergewöhnliche Inszenierung.
Die fünfte Jahreszeit – also der Karneval – beginnt in Düsseldorf zwar erst am Folgetag, doch schon am Donnerstagabend herrscht in der dort aufgebauten Winterwunderwelt am Anfang der eleganten Königsallee Party-Stimmung. Einen Steinwurf davon entfernt trägt das Publikum der Deutschen Oper am Rhein noch keine Kostüme, sondern teure Winterstoffe, als wolle es den Mythos der Rheinmetropole als Modestadt belegen.
Wenn Demis Volpi, der amtierende Direktor des Balletts am Rhein, hier seine neue Premiere „Krabat“ als Handlungsballett nach dem Jugendbuch von Otfried Preußler zeigt, schaut man auch von Hamburg aus mit Neugier nach Düsseldorf. Denn Volpi ist seit wenigen Wochen designierter neuer Intendant des Hamburg Balletts und soll ab der Spielzeit 2024/25 die Aufgabe meistern, den Schatz des weltweit erfolgreichen John-Neumeier-Repertoires lebendig zu halten – und das Hamburg Ballett als Neumeiers Nachfolger in die Zukunft zu führen.
Ballett Hamburg: Ungewohntes kommt auf die Hansestadt zu
Was also erzählt seine Düsseldorfer Arbeit? Die „Krabat“-Choreografie zumindest lässt bereits erahnen, dass die Hamburger ungewohnte Facetten der Ballett-Kunst erleben werden. Dabei ist „Krabat“ eigentlich nicht wirklich neu. Volpi hat die Choreografie bereits 2013 beim Stuttgarter Ballett zur Uraufführung gebracht, wo sie ein Publikumsrenner wurde und seine steile Karriere begründete. Nun hat er sie mit dem Ensemble des Balletts am Rhein mit einigen Veränderungen einstudiert.
Der Abend beginnt sehr theatral. Ein weiß behandschuhtes Paar Hände greift durch eine Lücke in einem Vorhang, davor stehen die Müller-Gesellen aufgereiht im von Katharina Schlipf entworfenen Rabenkostüm. Vom Bühnenrand nähert sich Krabat, ein jugendlicher Waisenjunge, der von dem zwielichtigen Meister als Lehrling für die Mühlenarbeit – in Wirklichkeit aber für seine Schule der Schwarzen Magie – angeworben wird. Als der Vorhang schließlich aufgeht, sorgt das Bühnenbild für einen wirklichen Wow-Effekt.
Darsteller des Krabats ist ein wahres Talent
1500 Mehlsäcke hat Schlipf in einem Rund bis hoch in den Schnürboden gestapelt. Davor wuchten die zwölf Lehrlinge In einer eindrucksvollen Gruppenchoreographie die Säcke auf ihre Schultern und lassen sie wieder fallen. Es hat etwas von totalitärer Lagerstimmung. Dazu tragen auch die monotonen Klänge von Philip Glass bei, die, gespielt von den Düsseldorfer Symphonikern unter Katharina Müllner, bald von emotionalen Musiken von Penderecki und einer eigens kreierten, sehr rhythmischen Mühlenmusik abgelöst werden.
Damián Torío ist als Meister ein schlangengleich mit dem Körper züngelnder, bleicher Fiesling, der mit dem unheimlichen Herrn Gevatter (Lara Delfino als glamouröse Diva) einen teuflischen Pakt unterhält. Jährlich wird als Tribut ein Geselle als Opfer fällig. Miquel Martínez Pedro als Krabat ist ein Glücksfall. Er verbindet Jugendlichkeit, technisches Können und theatrale Begabung.
Krabat in Düsseldorf: Besondere Choreographien
Neben ihm beeindruckt vor allem Eric White als sein Freund Juro, der im eindrucksvollen Solo neben technisch grazilen Bewegungen auch einen den Stoff tief durchdringenden Ausdruck zeigt. Krabat genießt die Verbundenheit unter den Gesellen. Und entdeckt erste Liebesgefühle, als er beim österlichen Ausgang auf die singenden Mädchen um die von Emilia Peredo Aguirre getanzte Kantorka trifft. Doch hier droht Gefahr. Schon Krabats Freund Tonda wurde die Liebe zur Worschula zum Verhängnis, sobald der Meister davon erfuhr.
Man merkt der Choreographie schnell an, dass hier besondere Qualitäten gefragt sind. Es gibt nur wenige Hebefiguren, die Pas de Deux sind in inniger Umarmung getanzt. Dafür sieht man viel gestrecktes Bein aus dem Sprung heraus. Vor allem ist das Ballett des Demis Volpi eines der ausladenden Gesten, der Mimik, des Spiels. Die Narration steht eindeutig im Vordergrund – Virtuosität eher nicht.
Krabat: Bringt Volpi die Inszenierung auch nach Hamburg?
Was das Bewegungsmaterial betrifft, wäre hier sicher mehr möglich gewesen. So kommt es in dem dreiteiligen Abend zu mancher Wiederholung. Mit der von Charlotte Kragh interpretierten Figur des Pumphutt bricht mehr Tempo, aber auch ein teils befremdliches, fast clowneskes Spiel hinein.
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Volpi setzt in seiner vertanzten Adaption auf große Bilder und eine klare Erzählung. Der Stoff wirkt hier trotz allem weniger düster und unheimlich als im Jugendbuchklassiker, den Preußler auf Basis eines sorbischen Märchens schrieb. Am Ende, als es der Kantorka tatsächlich gelingt, Krabat zu erlösen, fallen die Mehlsack-Wände zusammen und geben einen Weg in die Freiheit frei.
Da wird dann doch sehr deutlich, dass es auch um den Sieg über die Diktatur des Meisters geht. Und da ist dieser „Krabat“ von Demis Volpi auch jenseits der ästhetischen Tanz-Tableaus beklemmend aktuell. Wer weiß, vielleicht bringt er diese Inszenierung ja auch mit nach Hamburg.
„Krabat“ wieder am 13.11., 18.30 Uhr, 19.11., 19.30 Uhr, 2.12., 19.30 Uhr, 11.12., 18.30 Uh, 16.12., 19.30 Uhr, 18.12., 15 Uhr, Deutsche Oper am Rhein, Heinrich-Heine-Allee 16 A, T. ; www.operamrhein.de