Hamburg. Die Münchner Philharmoniker mit Philippe Jordan und Camilla Nylund in der Elbphilharmonie: Ein Auftritt mit einigen Schwächen.

Neben den knapp 2100 regulären Plätzen hat die Elbphilharmonie im Großen Saal auch einen bestens sichtbaren Schleudersitz für hochdramatische Sopranistinnen zu bieten – immer genau an jener Position, von der aus sie Brünnhildes kräfteverbrennenden Schlussgesang aus Wagners „Götterdämmerung“ bewältigen wollen. Nina Stemme und Anja Kampe durften bereits leidvoll erleben, wie groß diese Herausforderung genau dort sein kann; erst recht, wenn man sich übermutig im Standort vergreift und es am vorderen Bühnenrand versucht. Ganz schlechte Idee.

Beim ersten ihrer zwei Gastspiel-Abende der Münchner Philharmoniker war es nun die bestens bayreuth-abgehärtete Finnin Camilla Nylund, die oben hinten, links hinter den vier Harfen, sang, mitunter auch gegen Wagners riesig besetzten Orchesterapparat. Und dabei, obwohl es ein bewährter Platz ist, nicht immer ganz eindeutig die Oberhand behalten konnte. Nicht völlig klar war auch, ob dieser Schlussaufschwung des „Ring“-Finales, zu Recht als Höchstschwierigkeit auf den allerletzten Metern gefürchtet, schon zu anstrengend oder noch nicht einfach genug für Nylunds Abend-Kondition war, der die entscheidende Portion Gratwanderungs-Begeisterung fehlte.

Elbphilharmonie: Philippe Jordan hatte nicht seinen besten Tag

Aufgabenverschärfend kam dazu, dass Philippe Jordan, momentan gerade schwer umstrittener Musikdirigent der Wiener Staatsoper, zu wenig hilfreich bei der Disziplinierung des enormen Orchester-Aufkommens war. Der Versuchung, bei diesem Kraftakt ordentlich in die Vollen zu gehen, muss man in einem so hochsensiblen Raum wie diesem Konzertsaal sehr konsequent widerstehen können. Jordan aber hielt frohgemut drauf und schien beim tragischen Wagnern hin und wieder zu vergessen, dass auch noch jemand am Bühnenrand sehr viel Schweres singen und seine großgefasste Begleitung buchstäblich übertönen sollte.

Von der Hoffnung auf Textverständlichkeit musste man sich in dieser nicht idealen Konstellation entsprechend früh verabschieden. Ohnehin war es nicht der allerbeste Tag Jordans für seine „Götterdämmerung“-Hitparade: Im Trauermarsch fehlte das kantig-markig Klare, das dieser Musik ihre Konturen und existenzielle Wucht gibt, sie waberte eher unscharf vor sich hin. Die erste Portion, „Siegfrieds Rheinfahrt“, wurde zunächst zaghaft durchbuchstabiert, bis opernhaft atmender Fluss ins Spiel kam.

Elbphilharmonie: Resultat klang wie ein früher Bruckner

Überhaupt, Fluss: Die dramaturgisch schönen Klammern dieses Konzerts zu Schumanns Leben und Werk waren einerseits die historische Nähe (das musikästhetische Gegensatz-Paar Schumann und Wagner trennte nur drei Jahre), andererseits die Herzensnähe zum Schicksals-Strom der Deutschen. Schlichter ausgedrückt: Es gab vor der „Rheinfahrt“ die „Rheinische“, Schumanns Dritte. Was es nicht gab: eine überzeugende Interpretation dieser Sinfonie. Jordans Umgang mit den dynamischen Abstufungsmöglichkeiten und Schattierungsfeinheiten begann unterkomplex und blieb es, bis ins Finale.

Alles unterhalb eines mittleren Mezzoforte schien nicht groß zu interessieren. Im Scherzo kam der Bauplan der Themenverschachtelung zu kurz, die klangschönen Holzbläser spielten oft zwar nicht ins Leere, aber ins Ungefähre, weil die Streicher sie zudecken durften. Des Resultat klang nicht wie Schumanns eigensinniges sinfonisches Nachdenken in der Nachfolge Beethovens, sondern wie sehr früher Bruckner, nur mit besserer Laune.