Hamburg. Chris Thile und seine Mandoline, ein sehr dynamisches Duo im Kleinen Saal der Elbphilharmonie am Montagabend.

Es kommt eben doch nicht immer auf die Größe an. Chris Thile spielt zwar „nur“ Mandoline, auch auf den zweiten Blick noch nicht das coolste aller Instrumente, und seine Mandoline sieht aus, als hätte man B.B. Kings „Lucille“ zu heiß gewaschen.

Doch die Art und Weise, wie Thile für seine Solo-Konzert die Bühne des Kleinen Saals erstürmte, die war trotz der überschaubaren Lautstärke-Möglichkeiten großer Rock’n’Roll: rauskommen, in die Luft hüpfen, die Leute vor der Bühne mit breitem Grinsen begrüßen, als wären es Kindergarten-Kumpel, das komplette Stadionrock-Sortiment, unwiderstehlich mit Ansage. Dass Thile aussah, als wäre er gerade auf dem Sprung zu einem Casting für den nächsten Film der Coen-Brüder, verstärkte diesen Eindruck noch.

Für den ersten Abend ihres mandolinenkleinen Themen-Schwerpunkts hätte die Elbphilharmonie niemand Besseren als diesen US-Amerikaner einladen können: Thile schafft spielend selbst die größten Stil-Spagate, kleiner gemeinsamer Nenner ist immer die Freude am Fingerfertigen in kleinem Maßstab.

Elbphilharmonie: Unterschiedlichste Musikreichtung mit Thile

Traditionell mit viel Country, jeder Menge Bluegrass und reichlich Kirchenmusik großgeworden, hat Thile offene Ohren für grundsätzlich alles, was man sonst noch auf und mit einer Mandoline anstellen kann. Was er nicht spielen kann, muss wohl erst komponiert werden: Er kann ansatzlos vom flinkfingrigen Abspulen einer Bach- oder einer Bartók-Violinsonate, mit Lichtgeschwindigkeit geradezu, zu den zartbitteren Akkorden von Progressive-Folk- oder Hipster-Bluegrass-Songs wechseln.

Im einen Moment noch die Vermandolinisierung von Paul Simons „(My Mama) Loves Me Like A Rock“, im nächsten Alternative Country, die Klage-Ballade „Hard Times“ von Gilian Welsh oder ein Song von Jack White. Bei Thile passte geschmeidig und komplett natürlich zusammen, was ansonsten durch weite Entfernungen getrennt ist. Bindeglied ist immer wieder das hauchfeine Zirpen seines Instruments, der ideale Trick, um einen Saal beliebiger Größe dazu zu bringen, mucksmäuschenstill zu sein, zu bleiben und noch nicht mal übers Husten nachzudenken.

Thile steht nicht nur als Musiker auf der Bühne

Außerdem ist an Thile ein Stand-up-Mandolinen-Comedian verloren gegangen: Nicht nur die Titel-Ansagen, auch die vielen Nachstimm-Pausen – Mandolinen sind in dieser Hinsicht schlimme Sensibelchen, selbst wenn man sie weniger drastisch schrubbt als Thile – füllte er mit Witzen, meistens über die Mandoline. Der spielt das, der darf das. Alle anderen werden die Mandoline nach diesem Konzert mit ganz anderen Augen sehen.

CD: „Laysongs“ (Nonesuch, ca. 11 Euro)