Hamburg. Von der Minuskulisse lässt sich der Ire nicht beirren – und teilt nicht nur sanfte Songs, sondern auch scharfe Russlandkritik aus.

„Guten Abend, wie gehts? Es ist wunderbar, wieder in Hamburg zu sein“, ruft Chris de Burgh auf Deutsch am Montag in der Barclays Arena. „Es ist nicht sehr voll, aber c’est la vie“, sagt er achselzuckend. Tatsächlich könnte er beinahe jeden persönlich begrüßen, nur 1000 Fans haben sich im bestuhlten Saal und auf den Rängen der halbierten und mit Tuch abgehängten „Theatervariante“ verteilt.„Das macht aber nichts, wir leben in merkwürdigen Zeiten. Corona hat das Leben so vieler Menschen beeinflusst und meinen Beruf ebenfalls.“

Auch dass der irische Sänger statt wie ursprünglich beim Vorverkaufsstart geplant nicht mit Band, sondern im Alleingang auf Tour gegangen ist, dürfte für den einen oder anderen Ticketumtausch gesorgt haben. Schauspielhaus oder Laeiszhalle wären jedenfalls der passendere intime Rahmen gewesen.

Chris de Burgh: Solo in der Barclays Arena – ein ambitionierter Plan

Sei es drum, de Burgh verspricht den bestmöglichen Konzertabend, und das wird er 130 Minuten lang halten. Nur mit seiner zwölfsaitigen Gitarre, Klavier und Keyboard und gelegentlicher orchestraler Playback-Begleitung eine leere Arena zu unterhalten, ist ein ambitioniertes Vorhaben, eigentlich zum Scheitern verurteilt.

Aber wie ein steter Tropfen höhlen seine Songs eventuelle Panzer um die Herzen der Fans aus. Beim ersten Song „The Hands Of Man“ schwenkt schon ein Paar (bei dieser Minuskulisse bleibt niemand unbeobachtet) hingerissen die Handy-LED-Lichter, bei „Missing You“ klatschen bereits die ersten mit, auch wenn das Handgeklapper hier noch schnell wieder versiegt.

Chris de Burgh gibt nicht auf – und verdammt Wladimir Putin

Aber de Burgh gibt nicht auf. Er scherzt, erklärt Hintergründe seines aktuellen Albums „The Legend Of Robin Hood“ (2021), der Soundtrack für ein Robin-Hood-Musical in Fulda, und freut sich über eine Sonnenblume, die ihm eine Dame überreicht: „Ich kann die Grußkarte leider nicht lesen ohne Brille.“ Mit „Lady In Red“, „Don’t Pay The Ferryman“ und „High On Emotion“ übernimmt er schließlich den Saal komplett, Hunderte verlassen ihre Sitze und stürmen zum Bühnenrand. Mit „Where Peaceful Waters Flow“, „Roy Orbisons „Pretty Woman“ und „Legacy“ als Zugaben sowie de Burghs Wunsch „Fröhliche Weihnachten“ endet der Abend.

Bemerkenswert ist noch, wie die Umstände unserer Zeit selbst einen so sanftmütigen Sänger wie Chris de Burgh in Rage bringen. Vor drei Jahren fand seine Tochter Rosanna nach 14 Fehlgeburten eine Leihmutter im ukrainischen Cherson, die jetzt nach einer Odyssee in de Burghs Heimat geflüchtet ist. Für Chris de Burgh ist Putin „der schlimmste Kriminelle, der schlimmste Mörder“. Mit der Faust schlägt er auf das Klavier und erzählt, dass er oft in Russland und mehrfach sogar im Kreml gespielt hat. Aber: „Dort werde ich nie wieder auftreten.“