Hamburg. Am Freitagabend hat die Pianistin Beatrice Rana unter anderem eine Interpretation von Chopins berühmten “Trauermarsch“ gespielt.
Jeder kennt den berühmten „Trauermarsch“ von Chopin. Der Klaviersatz mit den tiefen, schlichten, schleppenden Akkorden und den untergründig drohenden Harmonien hat Weltkarriere gemacht. Die italienische Pianistin Beatrice Rana hat das Stück für ihr Recital bei ProArtes „Meisterpianisten“ mit einem hübschen dramaturgischen Kniff gleich doppelt eingebunden.
Sie hat nicht nur Chopins b-Moll-Sonate, aus der der Marsch stammt, ins Zentrum ihres Programms gesetzt, sondern nimmt außerdem auf ihn Bezug, als die Römerin am Freitag den Abend im Großen Saal der Laeiszhalle mit Préludes und Etüden von Alexander Skrjabin beginnt.
Beatrice Rana in der Laeiszhalle: Chopin hat viele Grenzen überschritten
Es ist etwas Skandalöses um den russischen Komponisten. In seinen reiferen Jahren hat er die musikalische Welt mit grenzüberschreitenden Experimenten aller Art verwirrt und begeistert. Bei den frühen Klavierstückchen, deren Titel nicht von ungefähr an Chopin erinnern, steht er aber noch ganz auf dem Boden der Tradition. Das Prélude b-Moll Opus 11 Nr. 16 beginnt mit einem deutlichen Zitat aus Chopins „Trauermarsch“.
Was dann folgt, ist sozusagen Chopin in schwer romantisch, in burgunderrotem Samt oder so, vollgriffig und harmonisch dicht. Das schärft die Ohren schon einmal für die nachfolgende Chopin-Sonate und insbesondere dafür, wie grazil dessen Kompositionsweise noch war.
Beatrice Rana: Besondere Interpretation von Chopin
Diesen Unterschied vorzuführen, bleibt Rana in der Laeiszhalle schuldig. Furchtlos stürzt sie sich in den ersten Satz, aber es bleibt unklar, was die aufbrandenden Sechzehntelfiguren im Bass zu sagen haben. Ranas spielt linear, sie steigert kontinuierlich die Spannung. Doch gestaltet sie auf der Strecke keine Figuren und artikuliert wenig und lässt den rhetorischen Gehalt von Chopins Musik vermissen.
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Im dritten Satz, ebenjenem Trauermarsch, findet sie für das lichte Seitenthema eine andere, mildere Klangfarbe und spannt weite Bögen. Insgesamt jedoch wirkt die Sonate recht monochrom. Bei Forte-Akzenten schlägt sie senkrecht zu, so dass das Instrument keine Chance hat, einen lebendig wirkenden Ton zu erzeugen.
Rana in der Laeiszhalle: Es bleibt ein enttäuschendes Gefühl
Für nach der Pause hat Rana wieder ins oberste Regalfach gegriffen und die „Hammerklaviersonate“ von Beethoven ausgesucht. Bei diesem Riesenwerk wird vollends klar, wie fern Rana die Gestaltungsansätze liegen, mit denen die historisch informierte Aufführungspraxis das heutige Verständnis nicht nur von Barock und Klassik, sondern eben auch von späteren Epochen entscheidend geprägt hat.
Mit der Frage, was einzelne Phrasen oder auch Motive zu sagen haben, hält sie sich nicht auf. Statt die Musik atmen zu lassen, statt innezuhalten und das Publikum in die Dramen einzubeziehen, die sich unter der Oberfläche von Beethovens spätem Werk ereignen, fällt sie im Metrum häufig nach vorn. So bleibt von diesem Abend das enttäuschende Gefühl, eine wirkliche Begegnung mit der Musik verpasst zu haben.