Hamburg. Ein launiger Kammermusikabend über „Irrwege der Musikkritik“. Einige sehr gut formulierte Beleidigungen wurden vorgetragen.

Unkraut vergeht, hin und wieder zumindest; Unrecht dagegen verjährt eher nicht. Erst recht nicht, wenn es sich um unschöne, aber genüsslich wiederholbare Beschimpfungen künstlerischer Tätigkeiten und Produkte handelt. Die werden mit wachsendem zeitlichen Abstand besonders reizend, weil ihr Danebensein immer klarer wird.

Zu ihrem 100. Geburtstag gönnte sich die „Hamburgische Vereinigung von Freunden der Kammermusik“ das leicht veränderte Remake eines kleinen, gemeinen Konzert-Formats, in dem erstmals vor sechs Jahren durchaus gelungene Stücke von durchaus bekannten Komponisten auf üble, aber gut formulierte Beschimpfungen losgelassen wurden. Die meisten von ihnen waren immer noch gut.

Elbphilharmonie: Armida Quartett zu Gast

Im Kleinen Saal der Elbphilharmonie spielten und zeterten sich nun das Armida Quartett und der Pianist Martin Klett sowie Gustav Peter Wöhler und Maria Hartmann, bewährt als die linke und die rechte Hand für diese Verbal-Backpfeifen, durch die Musikgeschichte. Mal in Schmäh-Dur, mal in fies-moll. Aber immer komplett verkehrt oder mindestens grob unfair gefoult.

Zum traditionell gern gesehenen Eindreschen auf angeblich taubblinde Rezensenten – der Klassiker schlechthin, nicht nur in der Klassik – kam es bei diesem Worst-of-Abend allerdings nicht. Tat nicht not. Die überlieferten Äußerungen des einen Tonsetzers über die Tonsetzungen eines Kollegen genügten voll und ganz, um historisch umfassend zu belegen, wer sich wann wie sehr verhauen hatte.

Elbphilharmonie: „Tadeln ist leicht, erschaffen so schwer“

Zuerst wurde der frei, aber musikwissenschaftlich solide erfundene Lebenslauf des „Flohwalzer“-Komponisten Ferdinand Loh aus dem Jeverland vorgetragen, gekrönt durch Lohs in siebenjähriger, zäher Fleißarbeit erschaffenes Meisterwerk selbst. Dann durfte noch das gute alte Schiller-Zitat „Tadeln ist leicht, erschaffen so schwer“ als vergebliche Bitte um Mäßigung ins Spiel gebracht werden. Danach aber wurden keine Gefangenen mehr gemacht: „Die Kunst, ohne Einfälle zu komponieren“ (Wolf über Brahms). „Gestern Abend Aida. Scheußlich“ (Strauss über Verdi).

„Warum komponieren Sie so scheußlich?“ (Strauss zu Hindemith). „Kein großes Genie“ (Tschaikowsky über Brahms). Besonders reizend und merkenswert: „Das fängt nicht an, das hört nicht auf, das dauert nur“ (Saint-Saëns über Reger). Dass die „Neue Musikzeitung“ einmal über Schuberts inzwischen halbwegs erwiesene Kernkompetenz nölte, „für das Lied scheint er wenig geeignet zu sein“, fiel bei derart viel Rundumgeschlage kaum noch ins Gewicht. Und mit jeder musikalischen Kostprobe durch die Armidas & Co. wurde die behauptete, untermittelmäßige Lausigkeit eh spielerisch ausgehebelt.