Hamburg. NDR-Orchester mit Dirigent Andris Poga und Sängerin Nina Stemme fremdelte bei Wagner und glänzte bei Schostakowitsch.
Normalerweise gibt es für eine Elbphilharmonie-Eintrittskarte genau ein Orchester und einen Dirigenten. Beim Abo-Konzert des NDR-Orchesters aber bekam man gefühlt von beidem jeweils zwei, der Haken dabei: in deutlich unterschiedlicher Qualität.
Wagner in der Elbphilharmonie: Poga überfrachtete die Ouvertüre
Wagner, erst recht mit Gesang scheint immer wieder ein heikles Thema für das eher opernungeübte Orchester zu sein. Der überwältigende Rausch, das geschmeidige Begleitende stellte sich konsequent nicht überzeugend ein. Gastdirigent Andris Poga ging zunächst das Vorspiel zum 1. Aufzug „Meistersinger“ an und danach die fünf kurzen „Wesendonck-Lieder“. Mit niemand Geringerem als Nina Stemme, die wahrscheinlich mehr Isoldes und Brünnhildes gesungen hat, als sie selbst noch zählen kann. Doch viel zu viel blieb im Auftaktstück unscharf und unbeachtet. Poga überfrachtete die Ouvertüre fast durchgängig mit vernebelndem Nachdruck, als entweder zu laut – oder gleich als viel zu laut.
Ein wenig Déjà-vu war in dieser Konstellation schon auch dabei: Stemme hatte 2019 ein Wagner-Programm des NDR hochdramatisch veredeln sollen, damals aber akustisch unklug an der Vorderkante der Bühne des Großen Saals gestanden. Nun also sang sie aus dem Orchester heraus, neben den Hörnern. Das half lediglich bedingt gegen das Schwächeln in der Gestaltungsfinesse. Erst in den zart versponnenen Momenten von „Im Treibhaus“ flackerte die nicht immer ungetrübte Magie von Stemmes warm eingedunkelter, saalfüllender Stimme eindringlich auf, während Poga ihre Begleitung aufs Mögliche herunterdimmte, anstatt weiter satt draufzuhalten. Wagner war’s, schön war’s. Aber letztlich nicht schön genug für das schmachtend besungene „selig süße Vergessen“.
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Schostakowitsch: Poga und Orchester wie ausgewechselt
Wie ausgewechselt wirkten Poga und das Orchester nach der Pause, mit Schostakowitschs 15., letzter Sinfonie. Zu Recht ist Poga auf dessen kniffliges Spätwerk abonniert (zuletzt vor zweieinhalb Jahren, mit den Symphonikern), doch etwas mehr Abwechslung beim Beeindruckenkönnen hätte auch seinen Reiz. Hier jedenfalls schwamm Poga erneut nicht, kein bisschen; hier hatte alles Ordnung, Biss, Übersicht und Detail-Schärfe.
Auch für das reaktionsschnell und packend funkelnde Orchester hatte das gegenseitige Fremdeln beim Wagnern ein Ende gefunden. Das eigenwillige, unberechenbar vielschichtige Collagenhafte des Stücks fand sofort eine Ideallinie, die schlackenlos an den vielen Abgründen, Widersprüchen und raffiniert eingearbeiteten Täuschungsmanövern entlang führte. Tolle Soli, ein spannungsgeladener Drang nach vorn, an den Wagner-Zitaten im Finale vorbei, bis ins morbide ersterbende Klappern des Räderwerks dieser Sinfonie.