Hamburg. Jens Liljestrand hat einen beklemmenden Klimawandel-Roman geschrieben: „Der Anfang von morgen“ nimmt die Normalität in den Blick.

Der Wald brennt. Nicht in Australien oder Kalifornien, also weit weg, sondern in Schweden. In der Provinz Dalarna, dort, wo Didrik und seine Familie in einem Sommerhaus die Ferien verbringen. Nun hat es in den vergangenen Jahren schon häufiger Brände gegeben, man hat sich also daran gewöhnt, und überhaupt möchten nach einer gerade überstandenen Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen alle ihre endlich wieder gewonnene Freiheit genießen. Also wiegelt man ab, ist überzeugt, dass es schon nicht so schlimm kommen werde – und muss dann doch Hals über Kopf aus dem Brandgebiet fliehen.

Jens Liljestrand: „Der Anfang von morgen“,  S. Fischer Verlag, 544 Seiten, 24 Euro, übersetzt von Stefanie Werner, Franziska Hüther, Karoline Hippe, Thorsten Alms.
Jens Liljestrand: „Der Anfang von morgen“, S. Fischer Verlag, 544 Seiten, 24 Euro, übersetzt von Stefanie Werner, Franziska Hüther, Karoline Hippe, Thorsten Alms. © S. Fischer Verlag

Mit „Der Anfang von morgen“ hat der Schwede Jens Liljestrand einen beklemmenden Klimawandel-Roman geschrieben, der deshalb so gut funktioniert, weil er nicht auf apokalyptische Szenarien und extreme Charaktere setzt, sondern sehr in unserem Alltag, in der Normalität, verankert ist. Didrik und seine Familie sind sich des Klimawandels durchaus bewusst, setzen auf Nachhaltigkeit, fahren ein E-Auto (das dann aber leider gerade nicht aufgeladen ist) und glauben, dass der Staat am Ende schon alles regeln werde – bis sich im einsetzenden Chaos nichts mehr regeln lässt und das Mitgefühl auf der Strecke bleibt, wenn es um das Überleben der eigenen Familie geht.

Buchkritik: Lage gerät außer Kontrolle

Nicht nur in Dalarna, wo alle versuchen zu den Sammelpunkten für eine Evakuierung zu kommen, auch in Stockholm und anderen Städten gerät die Lage außer Kontrolle, wird gewalttätig demonstriert und geplündert. Der Firniss der Zivilisation erweist sich zunehmend als brüchig.

Liljestrand erzählt seine Geschichte aus vier Perspektiven, wobei die des so verzweifelten wie hilflosen Familienvaters die dramatischste ist, während das, was seine Tochter Vilja erlebt, am stärksten in die Zukunft weist. „Alles, was ich haben will, verschwindet. Alles, was ich liebe, kriegen andere“, sagt sie einmal und da geht es noch um die im Internet ausverkauften Fanartikel eines Musikers. Doch bald lernt sie, das noch etwas anderes verschwindet: Das Leben, so wie sie es bisher gekannt hat.

Buchkritik: Das ist der Beginn einer neuen Zeit

Denn wie der Titel des Buches schon sagt: Dies ist nicht das Ende, dies ist der Anfang von morgen. Der Beginn einer neuen Zeit. Nicht nur in Australien oder Kalifornien, sondern auch in Europa. In Schweden. Und hier bei uns.

Die für den 6.9. geplante Lesung mit Jens Liljestrand und Katja Riemann in der Thalia-Buchhandlung Spitalerstraße ist abgesagt.